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Bistum Dresden-Meißen

Trauer hat viele Gesichter

Zur Zukunft des Gedenktages am 13. Februar

Dresden - In der Landeshauptstadt Sachsens hat der 13. Februar als Gedenktag Tradition. Er erinnert an die Zerstörung der Stadt in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges 1945. Manche sind heute der Meinung, dieses Geschehen sei mittlerweile so lange her, und der Jugend so schwer zu vermitteln, daß man das Gedenken langsam auslaufen lassen sollte.

Der diesjährige Gedenktag hat aber wieder deutlich gezeigt, wie lebendig dieses Gedenken bis heute in den verschiedensten Teilen der Bevölkerung ist, bei Alten und Jungen, bei Musikliebhabern und bei Kirchgängern, bei freien Initiativen, bei Behörden und Gymnasien. Sie alle stellten spontan einen bunten Strauß unterschiedlichster Veranstaltungen zusammen, die sich nicht gegenseitig Konkurrenz machten, sondern ergänzten und verstärkten. Jeder konnte etwas für ihn Passendes finden und teilnehmen.

Trotz Regengüssen beherrschten die Gedenkveranstaltungen das Bild der Innenstadt. Manche Dresdner waren fast den ganzen Tag auf den Beinen vom Vormittag bis nach Mitternacht. Zeitzeugen, die das Geschehen von 1945 in Dresden erlebt hatten, erzählten von ihren Erinnerungen. In allen Zeitungen konnte man davon lesen. Auffallend war, wieviel junge Leute die Gelegenheit wahrnahmen: wie sie sich an Fasching kostümierten, so zogen sie jetzt mit Kerzen, meist mit einem Windschutz, durch die Straßen, oder nahmen Zuflucht in einer Kirche, um vor dem Wind und vor dem Regen geschützt still in einer Bank zu sitzen und auf Taize#Gesänge zu lauschen oder mitzusingen, Texte zu hören, und in den Kanon Dona nobis pacem"; einzustimmen. Viele Jugendliche schienen ein ausgesprochenes Bedürfnis danach zu haben, ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Das ist um so verwunderlicher, als manche meinten das Gedenken vom 13. Februar habe mit der Wende seinen Sitz im Leben"; verloren, es würde politisch vereinnahmt und instrumentalisiert, auch habe es mit der Entscheidung zum Aufbau der Ruine der Dresdner Frauenkirche seinen symbolischen Mittelpunkt verloren.

Beides ist aber nicht eingetreten. Die Frauenkirche ist der geistige Mittelpunkt des 13. Februars geblieben, erstens weil viele vor den Trümmern des 1945 heruntergestürzten Giebels des westlichen Eckturms (der in dieser Form erhalten bleiben soll) wie früher eine riesige Menge brennender Kerzen abstellen konnten (wie vor dem Gnadenbild eines Wallfahrtsortes); zweitens weil man in der im Herbst eingeweihten Unterkirche der Frauenkirche längere oder kürzere Zeit mit Kerzen in Stille und Gebet verweilen konnte. Die Frauenkirche blieb Mitte. Vorbereitet wurde ihr Besuch für viele durch die Teilnahme an dem ökumenischen Friedensgottesdienst in der evangelischen Kreuzkirche, nachbereitet durch eine Gebetsstunde in der katholischen Kathedrale, um auszuklingen in einer Gebetsnacht für den Frieden wieder in der Unterkirche.

Wenn in den nächsten Jahren im Stadtzentrum erneut eine Synagoge entstehen wird, bleibt abzuwarten, wie sie in das Gedenken vom 13. Februar einbezogen werden kann, denn eine alte jüdische Weisheit sagt: Erinnern bringt die Erlösung näher, vergessen verlängert das Exil.

Dr. Michael Ulrich

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 23.02.1997

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