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Aus der Region

Ökumenisch unsensibel

Kommentar

Katholische Christen haben unter der kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion unsagbar gelitten. Es ist schmerzlich zu beobachten, daß sie vielerorts in Rußland auch heute noch massive Nachteile in Kauf nehmen müssen. Auch wenn das Schicksal der eigenen Leute naturgemäß besonders nahe geht, sollten Katholiken in Deutschland nicht die Augen verschließen vor dem Leid, das die orthodoxen Christen durchlebt haben, vor den Schwierigkeiten, mit denen sie heute kämpfen. Wer Versöhnung wolle, müsse "das eigene Überlegenheitsgefühl vergessen und versuchen, in die Gedanken des anderen hineinzuschlüpfen", sagt Heiner Hesse, Geschäftsführer der Partnerschaftsaktion Ost des Bistums Magdeburg.

Kirchen sind in kommunistischer Zeit zerstört worden, die kirchliche Intelligenz-Schicht wurde systematisch unterdrückt. Heutige Priester haben oft nur eine oberflächliche Ausbildung. Anders als die Katholiken haben die Orthodoxen aber keine wohlhabenden Partner im Westen, mit deren Hilfe sie diese Defizite ausgleichen könnten.

Die deutsche Hilfsaktion Renovabis wurde ausdrücklich als Solidaritätsaktion mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa"; gegründet. Nicht nur von Katholiken war im Gründungsaufruf der Bischöfe die Rede, sondern von Menschen, denen man bei der Erneuerung der Gesellschaft in Gerechtigkeit und Freiheit beistehen"; wolle. Unbestritten ist, daß Renovabis in den vier Jahren seit seiner Gründung mit 140 Millionen Mark gesammelter Spenden viel Gutes gewirkt hat.

Eine Kurskorrektur ist im Blick auf die Verhältnisse in Rußland allerdings fällig. 95 Prozent der Fördergelder kommen in Rußland Projekten der kleinen katholischen Minderheit zugute. Gerade in Gegenden, in denen bislang so gut wie keine Katholiken gelebt hatten, hat manches gutgemeinte soziale Projekt der katholischen Kirche eher geschadet und sie unter den Verdacht der "Proselytenmacherei"; gestellt. Daß es möglich ist, verläßliche Partner für soziale und pastorale Projekte auch in der orthodoxen Kirche Rußlands zu finden, haben kleine Organisationen wie die Partnerschaftsaktion Ost in den vergangenen Jahren gezeigt.

Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 9 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.03.1997

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