Mit "Bettlerkarrieren" befaßt
Erfurter Edith-Stein-Schule lud nach Projekttag zum Tag der "Offenen Tür" ein
Erfurt (ep) - Die Mädchen und Jungen der Klasse 6c haben nicht mehr die rechte Ruhe in sich, wollen an diesem Freitag mittag nach Hause. Bis gerade eben sind sie von zwei Mitarbeiterinnen der Lobby e.V. für Wohnsitzlose und Arme über das soziale Engagement des Vereins in Erfurt informiert worden. Die Klasse hatte sich für den heutigen Projekttag, der unter dem Motto der Misereor-Fastenaktion 1997 Brich mit den Hungrigen dein Brot"; steht, das Thema Obdachlosigkeit"; gewählt. Bereits vor einigen Wochen hatten sich die Mädchen und Jungen dazu ein Theaterstück mit sieben Szenen ausgedacht, wie zwei Schülerinnen ein bißchen stolz berichten. Titel: Franz Müller - eine Bettlerkarriere";. Noch einmal proben sie jetzt das Stück. Denn es soll morgen, am Tag der Offenen Tür"; der Schule aufgeführt werden.
Einen auswendig gelernten Text gibt es nicht. Die Schülerinnen und Schüler sprechen frei, denken sich in die jeweilige Szene ein. Franz Müller - eine Bettlerkarriere"; handelt von einem jungen, unverheirateten Mann, der plötzlich aus seinem Betrieb entlassen wird - aus wirtschaftlichen Zwängen, wie es heißt. Mit vielen anderen Arbeitslosen sitzt er kurz darauf auf einem langen Flur des Arbeitsamtes, eine Nummer um den Hals. Als er schließlich an der Reihe ist, hat man keinen Job für ihn. Franz Müller geht nach Hause. Mit der Frage, was nun werden soll, trinkt er ein Bier nach dem anderen. Sorge";, Sucht"; und Elend"; kommen personifiziert als Gespenster in sein Zimmer und setzten ihm zu. Schließlich sitzt Franz Müller auf dem Erfurter Anger: Er hat eine Bettlerkarriere vor sich. Viele Passanten gehen vorbei, ein Mädchen gibt Müller ein paar Münzen.
Gerade diese Situation ist für die Schüler ausschlaggebend gewesen, sich mit dem Thema zu befassen, sagt Klassenleiterin Katharina Peters. Denn sie erleben die Szene täglich auf dem Erfurter Anger. Der zentralen Bedeutung der Problematik wurden denn auch die Besucher am Tag der Offenen Tür"; gerecht: Sie zeigten reges Interesse.
Ganz anders setzten die Gymnasiasten der Klassen 10a und 10b das Thema des Projekttages um: Sie stellten ihr 14tägiges Praktikum in Sozialeinrichtungen vor, das sie im Februar mit viel Gewinn absolviert hatten (Tag des Herrn berichtete). Andere Schülerinnen und Schüler informierten über Schulpartnerschaften, boten Gerichte aus der Dritten Welt an oder untersuchten mit chemischen Experimenten Lebensmittel.
Projekttag und Tag der Offenen Tür"; standen am Beginn der Neuaufnahme von Mädchen und Jungen für das Schuljahr 1997/98, die in dieser Woche stattfand. Die Schule hat derzeit rund 510 Schüler.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.03.1997