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Aus der Region

Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Spiel

Dresdner Malteser-Symposium über das Ehrenamt

Dresden - Irgendwie klappt sie nicht so richtig im Osten, die Sache mit dem Ehrenamt. So sieht es zumindest aus, wenn man die Situation beim Malteser-Hilfsdienst (MHD) anschaut: 30 000 ehrenamtliche Helfer gibt es in Deutschland, aber nur 800 davon arbeiten in den neuen Bundesländern. Etwas besser, aber nicht weniger bedenklich die Situation bei der Malteser-Jugend: Von 8000 jungen Menschen wirken nur 300 in Ostdeutschland mit. Grund genug für die Malteser, einmal Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Träger ehrenamtlicher Dienste, Mitwirkende an sozialen Projekten sowie Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zum Thema "Ehrenamtliches soziales Engagement in den neuen Bundesländern - Chancen und Grenzen" nach Dresden einzuladen.

Daß es sich hier um ein ernstzunehmendes Problem handelt, dafür spricht auch die prominente Referentenliste des Symposiums. Neben Sachsens stellvertretendem Ministerpräsidenten und Staatsminister für Soziales, Gesundheit und Familie, Hans Geisler, hatten auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Karl-Heinz Kunckel, Bischof Joachim Reinelt und viele andere zugesagt

In Dresden nahmen die Malteser die Chance wahr, sich und ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren. Neben dem Hilfsdienst, dessen Rettungsdienst täglich auf den Straßen präsent ist, gibt es zahlreiche andere Arbeitsfelder, die besonders in Ostdeutschland noch nicht ins Bewußtsein der Menschen gelangt sind. Dazu gehören Betreuungseinrichtungen wie Krankenhäuser und Altenheime in Bautzen und Kamenz, Sterbebegleitung und besonders Ausbildungsleistungen. Mehr als 250 000 Menschen nehmen beispielsweise jährlich an Erste-Hilfe-Kursen des MHD teil

Der Direktor der Kölner Malteserakademie,Anton Steer, wies auf die Notwendigkeit von ehrenamtlicher Arbeit gerade in der Zukunft hin. Der Sozialstaat werde immer stärker auf individuelle Verantwortlichkeiten setzen und immer weniger Versorgungsstaat sein. Hier von unabhängiger Seite mit ehrenamtlicher Arbeit Lücken zu füllen, sei nicht zuletzt Sache der Religion: "Eine Aufgabe für das Christentum unserer Zeit ist es, wieder ins Bewußtsein zu bringen, daß soziales Engagement ein wesentlicher Bestandteil der Religionsausübung und Bestandteil der Glaubwürdigkeit der Kirche ist." Das Symposium könne hier den Dialog anbieten, wie ehrenamtliche Tätigkeit in den neuen Ländern zum Wohle aller aktiviert und verstärkt werden könne.

"Viele Menschen könnten und wollen auch helfen - sie brauchen aber den Anstoß von außen", schätzt Steer die Lage ein. Minister Geisler sah als mögliche Ursache für den mangelnden Einsatz im Osten die Forderung, daß sich alles rechnen müsse. "Aber es liegt an uns, zu entscheiden, ob sich wirklich alles rechnen muß", hielt er dagegen, "es gibt Dinge, die ich bezahlt nicht haben möchte." Sterbebegleitung beispielsweise sei einfach nicht bezahlbar - enweder man gebe die Zuwendung, oder sei unmenschlich. Der Vorteil des Ehrenamtes gegenüber staatlichen Aktivitäten sei eben die eigene Motivation der Helfer

Auf dem Symposium gab es die Möglichkeit, sich in Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichsten Aspekten der ehrenamtlichen Arbeit zu beschäftigen. Arbeitslosigkeit und Ehrenamt hieß es etwa; hier wurde die Möglichkeit des beruflichen Wiedereinstiegs durch ein Ehrenamt erörtert. Das Engagement von Frauen diskutierten die Teilnehmer gesondert - sind es doch sie, die den überwältigenden Teil der ehrenamtlichen Arbeit leisten. Auch die Jugend wurde thematisiert - das Ehrenamt als Möglichkeit, arbeitslosen oder sinnsuchenden jungen Menschen eine für sie wichtige und erfüllende Aufgabe zu geben

Das Symposium also ein Appell an die Ostdeutschen, sich mehr ehrenamtlich zu engagieren - mit dem deutlichen Hinweis, daß dieses Engagement auch für den Helfer seinen Reiz hat. Ob die Botschaft ankommt, ist ungewiß - auch in den Altbundesländern ist das Ehrenamt eher auf dem Rückzug. Bischof Reinelt und Staatsminister Geisler jedenfalls gaben sich eher optimistisch: Sie sehen gerade in der zunehmenden Freizeit der Menschen ein wachsendes Potential für die ehrenamtliche Arbeit. "Die Zeit ist ja da", so Reinelt, "und Not und Probleme gibt es in Hülle und Fülle". Eigentlich Grund genug, auch hier eine Tradition des Ehrenamtes zu begründen.

Christian Saadhoff

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.03.1997

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