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Bistum Magdeburg

Schlupfloch für Heiratswillige

Aus alten Akten der Alsleber Missionspfarrei St. Elisabeth (Teil II)

Alsleben (dw) - Über Politik ist in den alten Berichten aus der Alslebener St.-Elisabeth-Gemeinde zwar nur sehr wenig zu lesen. Zwischen den Zeilen erfährt man aber doch einiges über das politische Umfeld, in dem sich die Katholiken des vergangenen Jahrhunderts in Alsleben bewegten, zum Beispiel wenn es um den Bau der Kirche geht

Wie aus einem Bericht Pfarrer Carl Beckers aus dem Jahr 1864 hervorgeht, fanden Gottesdienste damals in einer alten, feuchten Scheune statt, die die Gemeinde für mehrere Jahre gemietet hatte. Für den Schulunterricht hatten die Katholiken ebenfalls einen Raum gemietet, bereits den dritten innerhalb von drei Jahren, und auch der erschien dem Pfarrer bereits wieder zu klein. Erst 1873 bekam die Gemeinde eine Baugenehmigung für eine "katholische Privatkirche nebst dergleichen Pfarr- und Schulgebäude". Der preußischen Bauauflage für katholische Missionskirchen entsprechend mußte die Kirche zur Straße hin wie ein Wohnhaus aussehen und durfte keinen Turm haben. Baubeginn war im April 1874; schon im Herbst des gleichen Jahres war der Rohbau fertig. Schule und Lehrerwohnung, die dem Paderborner Missionshausstil entsprechend im Kirchengebäude untergebracht waren, konnten in Gebrauch genommen werden, Kirche und Pfarrwohnung wurden im Jahr darauf fertig

Eine besondere Rolle spielte Alsleben offensichtlich für Paare aus der Pfarrei Bernburg, die eine konfessionsverschiedene Ehe eingehen wollten. Wiederholt kam es vor, daß der katholische Partner kurz vor der Hochzeit seinen Wohnsitz in Alsleben nahm. Gerhard Wagner, der heutige Pfarrer der St.-Elisabeth-Gemeinde, erläutert, was es damit auf sich hatte

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts unterstanden die Katholiken in Anhalt kirchenrechtlich dem Apostolischen Nuntius in München. Das Verhältnis des Apostolischen Vikars mit dem staatskirchlichen Regime, das in Anhalt herrschte, sei äußerst gespannt gewesen. Als der Nuntius ohne Rücksprache mit der Staatsregierung in Dessau für Bernburg eine Pfarrei errichtete, habe die anhaltische Regierung das ignoriert

Bei der Trauung von Mischehen hatte das zur Folge, daß evangelische Pfarrer die katholischen Aufgebote aus Bernburg nicht akzeptierten mit der Bemerkung, es gebe keinen katholischen Pfarrer in Bernburg. Ein Brautpaar mußte aber sowohl in der zuständigen Gemeinde des Mannes als auch in der Gemeinde der Frau aufgeboten werden

Da die Stadt Alsleben nur vier Kilometer entfernt vom anhaltischen Gebiet lag, riet der katholische Pfarrer von Bernburg den heiratswilligen Katholiken seiner Gemeinde, sich kurzzeitig in Alsleben einzumieten. Dort konnte dann auch das Aufgebot bestellt werden. Die Katholiken bekamen den notwendigen Dispens für die Heirat mit einem evangelischen Partner von Alsleben aus im übrigen etwas schneller, da er beim Paderborner Bischof und nicht in München eingeholt werden konnte.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.03.1997

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