Offen reden statt vorbeigehen
Anregungen für die Fastenzeit und darüber hinaus: Umgang mit Asylbewerbern
Halle - "Es ist keine einmalige Erfahrung der Asylbewerber, daß Christen, die sie bei Gesprächskreisen oder kirchlichen Veranstaltungen kennengelernt haben, auf der Straße an ihnen vorbeigehen; so tun als ob sie sie nicht kennen";, erzählt Pater Benno Singer, Comboni-Missionar aus Halle, der Asylbewerber auf ihrem Weg begleitet. "Viele Christen sind ihnen gegenüber sehr verschlossen. Mein Wunsch ist es, daß ihnen offener begegnet wird. Die Menschen müßten lernen, sich auf natürliche Art und Weise - auch auf der Straße - mit den Asylbewerbern zu unterhalten.
"Gerade zur Osterzeit würde es sich anbieten, die Asylbewerber mal zu Kaffee und Kuchen einzuladen";, so Pater Benno. Viele seien zwar schon Jahre hier, waren aber noch nie bei einer deutschen Familie. "In Afrika ist die Gastfreundschaft ganz anders";, erzählt der Missionar, der über zwanzig Jahre seines Lebens dort verbrachte.
Zusammen mit den Comboni-Missionaren Pater Robert Sottara und Bruder Eduard Nagler lebt er seit fünf Jahren in Halle. Gegründet wurde diese Missionsgemeinschaft 1867 in Verona von Bischof Daniel Comboni, der sich um die Erneuerung Afrikas bemühte. Heute setzen sie sich mit ihrer missionarischen Arbeit in über 40 Ländern für mehr Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit ein.
Ein weiterer Tip: Die Gemeinden sollten sich mehr auf ausländische Kulturen einlassen. "Asylbewerber können sich viel zu wenig mit ihrer Musik in die Gottesdienste einbringen, obwohl die meisten Gemeindemitglieder davon begeistert sind, "; erzählt Pater Benno. "Obwohl es sicherlich auch eine Sprach-Barriere gibt, sollten Christen so mutig sein, diesen Schritt zu wagen";, fordert Pater Robert auf.
Doch oftmals hat man gar nicht die Möglichkeit, Asylbewerber anzusprechen, weil man mit ihnen nicht in Kontakt kommt. "Ich erwarte auf keinen Fall, daß man sie auf der Straße anspricht";, sagt Pater Benno. Trotzdem gibt es verschiedene Möglichkeiten, des Kennenlernens: Beispielsweise bei einer Veranstaltung namens "Cabana";, die jeden ersten Freitagabend im Monat in Halle stattfindet. Bei diesem Treffen stellt sich eine Gruppe vor, berichtet über ihr Land, ihre Kultur und manchmal gibt es ein traditionelles Essen. "Dort kann man ohne Probleme ins Gespräch kommen und neben Gemeinsamkeit ein anderes Land, dessen Reichtum an Musik, Spiritualität und Religiosität kennenlernen";, berichtet Benno Singer.
Eine weitere Möglichkeit: "Man erweist Asylbewerbern - die man kennt - einen großen Gefallen, wenn man mit zu den Verhandlungen im Rahmen des Asylverfahrens geht. Da ist der Ton und das Umgehen mit ihnen ganz anders";, berichtet Robert Sottara. - "Das ist wirklich so - auch wenn das viele Richter nicht hören wollen.";
Katharina Funke
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 23.03.1997