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Bistum Görlitz

Gottes Wort in drei Sprachen

Herz-Jesu-Pfarrei Forst: Eine Gemeinde an der deutsch-polnischen Grenze

Forst (tdh) - Die Pfarrkirche Heiligstes Herz Jesu in Forst liegt fast in Sichtweite zum Neißeufer. Und doch muß Pfarrer Bernhard Walter beklagen, daß es außer seinem gelegentlichen persönlichen Kontakt zum Pfarrer der polnischen Nachbarpfarrei Brody (Pförten) so gut wie keine Beziehungen zu den Gläubigen jenseits des Grenzflusses gibt.

Alle Neißebrücken von Forst wurden in den letzten Kriegstagen 1945 zerstört, nur die Eisenbahnbrücke der Strecke nach Breslau wurde wieder aufgebaut. Nach Polen kommt man von Forst aus zu Fuß überhaupt nicht und mit dem Auto nur auf weiten Umwegen über die Autobahn oder den Grenzübergang Guben.

Aber dennoch ist es keine Seltenheit, daß im Sonntagsgottesdienst die Frohe Botschaft in drei Sprachen verkündet wird. Stets kommen 40 bis 50 aus Rußland stammende Aussiedler zur Heiligen Messe. Die Jüngeren von ihnen verstehen kaum oder gar nicht Deutsch.

Oft sind auch Asylbewerber unter den Gottesdienstbesuchern, Afrikaner aus Kenia, Zaire, Togo, dem Sudan. Sie sprechen außer ihren Stammessprachen meist Englisch.

Beim Weihnachtsgottesdienst haben Kenianer ministriert. Das Weihrauchfaß dampfte wie der afrikanische Urwald nach einem Tropenregen. Außer in Deutsch und Russisch wird für sie das Evangelium auch in Englisch verkündet. Forst, früher als "deutsches Manchester" eine bedeutende Tuchstadt, wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, als die Rote Armee sich den Übergang über die Neiße erkämpfte, zu achtzig Prozent zerstört.

Die Reste der Tuchfabriken überlebten die Wende nicht. Viele junge Menschen haben die Stadt verlassen. Das macht sich auch in der katholischen Gemeinde bemerkbar, die durch den Braunkohlebergbau bereits ihre Außenstationen verloren hatte.

Außer den "internationalen" Aufgaben gibt es für Pfarrer Walter, der seit 21 Jahren in Forst ist, noch manche karitative. 1869 gründeten Dermbacher Ordensschwestern hier ein Altenheim, das zwischen 1945 und 1987 in Trägerschaft der Borromäerinnen stand.

Nun soll das Haus in Trägerschaft der Caritas umgebaut werden, doch das zuständige Potsdamer Sozialministerium ändert seine dazu erlassenen Beschlüsse immer wieder.

Auch der Kindergarten auf dem ehemaligen Klostergelände soll und muß modernisiert werden. Bernhard Walters Pfarrhaus ist ein "Einmannbetrieb". Seelsorge, Pfarrbüro, Bautätigkeit, Behördengänge, Verwaltung der kirchlichen Einrichtungen - alles macht er ohne eine angestellte Hilfskraft.

Und außerdem ist er Gefangenenseelsorger in den Strafvollzugsanstalten Cottbus und Luckau. Hier predigt er in den Gottesdiensten oft polnisch, denn ein großer Teil derer, die sich hinter Gittern um den Altar versammeln, sind Polen.

Eigentlich käme Pfarrer Walter ab 1998 mit 65 Jahren ins Rentenalter, aber wie so viele Diaspora-Priester im Bistum Görlitz wird er seine vielsprachige Gemeinde wohl kaum so bald verlassen.

Ulrich Constantin

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 12 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 23.03.1997

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