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Bistum Magdeburg

Katholiken auf der Straße verprügelt

Aus alten Akten der Alsleber Missionpfarrei St. Elisabeth (Teil III)

Alsleben (dw) - Das Verhältnis zwischen evangelischen und katholischen Christen in Alsleben war in den vergangenen 140 Jahren äußerst wechselhaft. Das geht aus den alten Akten hervor, die in der St.-Elisabeth-Gemeinde in ungewöhnlich großem Umfang erhalten geblieben sind

Daß nach über 300jähriger Pause in Alsleben Mitte des 19. Jahrhunderts wieder katholisches Leben aufblühte, ist offenbar nicht zuletzt einem Protestanten zu verdanken, dem Alslebener Gerichtsboten Friedrich Schließer

Seiner katholischen Frau zuliebe, die ihr Kind unbedingt katholisch taufen lassen und erziehen wollte, hielt er Verbindung mit dem zuständigen Pfarrer Ficke im dreieinhalb Wegstunden entfernten Aschersleben und setzte sich dafür ein, daß in Alsleben in regelmäßigen Abständen katholische Gottesdienste gehalten wurden

Die erste heilige Messe feierte Pfarrer Ficke in Alsleben am Reformationsfest 1858 im Gartensaal des "Schwarzen Adler", der sonst für Billardspiel und Tanzveranstaltungen genutzt wurde. Der Pfarrer hielt die Bistumsleitung in Paderborn über die Zahl der Katholiken in Alsleben auf dem laufenden. Da der Boden in der Region fruchtbar war, zogen Landarbeiter und Handwerker aus anderen Gegenden zu, darunter auch katholische Schlesier und Eichsfelder. Später folgten weitere Zuzüge von Arbeitern für die neu entstandenen Zuckerfabriken

Friedrich Schließer, der sich für die Katholiken in Alsleben eingesetzt hatte, wird in einem Brief gewürdigt, den der erste Pfarrer Carl Becker an den Paderborner Bischof Konrad Martin schrieb: "Obwohl Protestant, verdient er es, erwähnt zu werden. Er hat sich Verdienste um die Mission erworben.

Schwierig wurde es für die katholische Minderheit im Zuge des Kulturkampfs. Unter anderem konnte die neugebaute St.-Elisabeth-Kirche in Alsleben erst 1889, vierzehn Jahre nach ihrer Fertigstellung, konsekriert werden, weil Bischof Konrad Martin Mitte der siebziger Jahre verbannt wurde. Bereits während des Krieges zwischen Preußen und Österreich hatten die Alslebener Katholiken die aufkeimende katholikenfeindliche Stimmung am eigenen Leibe erfahren. Wiederholt wurden Katholiken auf der Straße verprügelt, beschimpft, mit Fortjagen und Tod bedroht. Pfarrer Becker berichtet zum Beispiel, daß Arbeiter der Zuckerfabrik Steine auf den katholischen Lehrer warfen mit den Worten "Schmeißt ihn tot, den Hund". Auch Schulkinder seien mit Steinen und Knüppeln traktiert worden. Hintergrund dieser Anfeindungen war nicht nur, daß die Katholiken im Krieg gegen Österreich der Konspiration bezichtigt worden waren

Aufgrund ihrer sozialen Stellung hatten die zugezogenen Katholiken ein ähnliches Ansehen wie ausländische Gastarbeiter heutiger Tage in der Bundesrepublik. "Die katholische Bande nimmt uns die Arbeit", hieß eine damals übliche Redensart, aus der eine gehörige Portion Neid und Mißgunst spricht. Bis zu einer Gleichberechtigung mit der evangelischen Mehrheit war der Weg für die Katholiken noch weit. Als beispielsweise 1926 eine katholische Lehrerin an der öffentlichen hauswirtschaftlichen Berufsschule angestellt wurde, ereiferte sich die Alslebener Zeitung darüber

Eine andere Sprache sprechen allerdings die Berichte über Pfarrer Bernhard Mock, der von 1901 bis 1918 in Alsleben war. Er war auch bei den Nichtkatholiken so beliebt, daß er ständig zu Jagden eingeladen wurde und unter anderem Präses eines Kegelclubs war, dem kein einziger Katholik angehörte

Von katholikenfeindlichen Stimmungen ließen sich die Katholiken den Aufzeichnungen zufolge nie von ihren Fronleichnamsprozessionen abhalten, auch als es nicht mehr evangelische Christen sondern Kommunisten waren, die ihnen mißgünstig waren. Zu DDR-Zeiten wurde die Prozession nur zweimal verboten, einmal mit dem Hinweis auf die grassierende Maul- und Klauenseuche, 1952 mit der Begründung, daß durch die Prozession der "andere Volksteil" verletzt würde

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 13 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.03.1997

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