Ein Schloß rüstet sich für neue Bewohner
Caritasheim Mengelsdorf bekommt neue Aufgabe
Mengelsdorf (dw) - Das ehemalige Mengelsdorfer Altenheim wird derzeit in ein sozialtherapeutisches Wohnpflegeheim für psychisch Behinderte umgewandelt. Die alten Menschen, die das Caritasheim in der Nähe von Görlitz vorher bewohnten, sind im vergangenen Sommer ausgezogen. Kindererholungen, die zu DDR-Zeiten in einem Flügel des Schlosses durchgeführt wurden, waren bereits vor einigen Jahren eingestellt worden
Das Schloß war der Katholischen Kirche im Zuge der Bodenreform für soziale Aufgaben übertragen worden. Die neuen gesetzlichen Anforderungen an Heimbauten und der sächsische Landesaltenplan seien Anlaß gewesen, es zu sanieren und umfunktionieren, sagt Christine Harbers vom Görlitzer Diözesan-Caritasverband. Bei den Altenpflegeplätzen zeichne sich ein sinkender Bedarf ab, Wohnheimplätze für psychisch Behinderte seien hingegen gefragt. Nach Auskunft des Sozialministeriums gab es 1990 in den sächsischen Landeskrankenhäusern mehr als 4500 Dauerpatienten, die eigentlich gar keine Krankenhausbehandlung benötigten, heute liege die Zahl noch bei 1300
Vierzehn Männer und Frauen sind seit vergangenem Herbst bereits in Mengelsdorf eingezogen. Wenn der Umbau im Mai abgeschlossen ist, bietet das Haus Platz für 32 psychisch Behinderte in vier Wohngruppen. Zusätzlich werden vier Kurzzeitplätze eingerichtet. Im Wohnheim sollen die Behinderten lernen, ein selbständigeres Leben zu führen als im Krankenhaus: Aufstehen, wenn der Wecker klingelt, mit Geld umgehen, einkaufen, Verantwortung für die eigene Garderobe und für Zimmerpflanzen übernehmen, Ordnung und Sauberkeit halten - viele dieser Alltagserfahrungen haben langjährige Klinikbewohner noch nie machen können. In Mengelsdorf absolvieren sie dazu ein regelrechtes Trainingsprogramm
Die ersten Bewohner konnten sich in den vergangenen Monaten zum großen Teil erstaunlich gut auf die neue Situation einstellen, berichtet Heimleiter Horst Grund. Er hofft, daß möglichst viele von ihnen bald in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten können. Ziel der Caritas-Mitarbeiter ist es, in der Nähe des Schlosses in absehbarer Zeit auch betreutes Wohnen anzubieten für die Bewohner, die für ein Leben in noch größerer Selbständigkeit geeignet scheinen
Hürden und Stolpersteine fehlen nicht auf dem Weg der Umwandlung einer Alteneinrichtung in ein Haus für psychisch Behinderte, räumen Christine Harbers und Horst Grund ein. Die Caritas hätte allein Mitarbeitern des Altenpflegeheimes angeboten, an einer Fortbildung teilzunehmen und dann weiter in Mengelsdorf zu arbeiten. Nicht jeder Altenpfleger sei jedoch für die Arbeit mit psychisch Kranken geeignet, so daß einige doch nicht übernommen werden konnten. Die Altenheimbewohner waren sehr gut integriert in die Dorfbevölkerung, erzählt der Heimleiter, der seit 1983 in Mengelsdorf arbeitet. Feste des Hauses und der politischen Gemeinde seien gemeinsam auf dem Schloßgelände gefeiert worden. Die katholische Gemeinde tat ihr übriges zu einer engen Beziehung zwischen Dorf und Schloß, unter anderem besuchten Katholiken aus Mengelsdorf und aus der nahegelegenen Stadt Reichenbach die Gottesdienste in der katholischen Hauskapelle
Gegen die neuen Heimbewohner gebe es in dem 500-Einwohner-Dorf allerdings gewisse Vorbehalte, hat Grund beobachtet. Er ist aber zuversichtlich, daß sich die ausräumen lassen. Gelegenheit dazu soll unter anderem ein Tag der Offenen Tür anläßlich der Einweihung des Wohnheimes sein. Mit Spannung und einer gewissen Sorge erwartet er den Abschluß aller Sanierungsarbeiten: Werden sich die Plätze des Wohnheimes füllen? Die psychisch Behinderten können sich ihren Wohnort selber aussuchen. Manchem wird der Schritt aus einem behüteten, rundum versorgten Leben im Krankenhaus in ein anspruchsvolleres Wohnheimleben schwerfallen, befürchtet er
Im Bistum Görlitz ist Mengelsdorf nicht die einzige Einrichtung, die den Sprung vom Altenheim zum Haus für psychisch Behinderte wagt. Ähnliche Pläne gibt es auch im Norden des Bistums. In Forst und Guben sollen zwei kleinere Behindertenwohnheime gebaut werden.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.04.1997