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Bistum Magdeburg

Pfarrer mit Köpfchen und Rückgrat

Aus alten Akten der Alsleber Missionspfarrei (IV)

Alsleben (dw) - "Wir haben Glück gehabt mit den Pfarrern in unserer Gemeinde", sagte der Pfarrgemeinderats-Vorsitzende der Alslebener St.-Elisabethgemeinde 1989 beim 100jährigen Gemeindejubiläum. Von manchen positiven Eigenschaften der Alslebener Geistlichen ist in den umfangreich erhaltenen alten Akten der Missionspfarrei zu lesen. Unter anderem haben einige von ihnen Durchhaltevermögen und Widerstandskraft unter Beweis gestellt

Carl Becker, der erste Pfarrer nach der Neugründung der katholischen Gemeinde, blieb von 1861 bis 1890 in Alsleben, fast dreißig Jahre lang, offenbar in ungebrochener Beliebtheit. Für Neupriester, die damals im Diasporateil der Diözese Paderborn eingesetzt wurden, war das eine ungewöhnlich lange Zeit. Die meisten kehrten aufgrund der harten Lebensbedingungen vorher in katholische Regionen zurück, viele büßten bei karger Kost, kalten und feuchten Unterkünften, weiten Wegen zu ihren Gemeindemitgliedern und kräftezehrendem Kirchbau in der Diaspora ihre Gesundheit ein. Wer nicht aus eigenen Stücken nach dem Abkühlen des jugendlichen Idealismus um die Versetzung nach Paderborn bat, gab oftmals früher oder später den besorgten Eltern und Geschwistern nach, die zur Rückkehr drängten. Auch in Pfarrer Beckers Aufzeichnungen finden sich Hinweise auf entsprechende Briefe von der Familie und auf gesundheitliche Schwierigkeiten. Sein jüngerer Bruder Lorenz berichtete aus dem Paderborner Priesterseminar, daß dort "Sachsenfurcht" herrsche

Ganz anderer Art waren die Bestandsproben, die Priester in der Zeit des Nationalsozialismus durchlaufen mußten. Von 1930 bis 1938 war Eduard Farwer Pfarrer in Alsleben. Während seiner Amtszeit wurde eine neue Orgel eingebaut. Die Einweihung erlebte er allerdings nicht mehr mit. Am 18. Januar 1938 durchsuchte die Gestapo sechs Stunden lang das Pfarrhaus, zwei Tage später wurde er zu einem zwölfstündigen Verhör ins Rathaus geführt. Bis Kriegsende blieb er als Häftling im Konzentrationslager Dachau

Sein Nachfolger war 1938 der Neupriester Karl Klein, der mit großen Plänen in die kleine Pfarrei kam. "Eine große Aufgabe unserer Zeit ist die Schaffung lebendiger Pfarrgemeinden. Mündige Christen und lebendige Pfarrgemeinden sind in der Diaspora besonders wichtig." - Mit diesen Worten beginnen seine Eintragungen in der Pfarrchronik. Unter anderem hat er eine Werkwoche zur geistlichen Erneuerung der Gemeinde ins Leben gerufen, eine Pfarrbücherei aufgebaut und Büchersonntage gehalten, den Gemeindemitgliedern regelmäßig Pfarrbriefe geschickt. Anderthalb Wochen nach einem Gottesdienst mit polnischen Kriegsgefangenen wurde Klein zur Gestapo nach Eisleben zitiert und verhaftet. Die Anklage lautete auf "Beunruhigung des Volkes" mit "Sabotageabsicht". Nach vier Monaten hob die Gestapo die Anklage wieder auf, Karl Klein wurde von Alsleben abberufen

Klein war offenbar nicht der erste besonders "helle Kopf" unter den Priestern in Alsleben. Herausragend in der Reihe der Gemeindepfarrer ist Johannes Linneborn, der von 1892 bis 1896 die Elisabeth-Gemeinde leitete. Dort wurde er vom Paderborner Bischof "entdeckt" und mit historischen und juristischen Studien beauftragt. Später war er maßgeblich an der Ausarbeitung des Preußenkonkordates beteiligt, besuchte die Alslebener Katholiken aber auch in dieser Zeit noch mehrmals

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.04.1997

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