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Aus der Region

Liebe im Zeitalter des "Cybersex"

Kirchliche Angebote zum Thema Partnerschaft und Sexualität

Frage: Schon Kinder werden heute geradezu überschüttet mit Informationen zum Thema Sexualität. Gibt es für Ihr Informations- und Beratungsangebot überhaupt Bedarf

Zett: Kinder und Jugendliche wissen heute zwar viel mehr über Sexualität als Gleichaltrige vor einigen Jahrzehnten. Oft bleibt aber die entscheidende Frage offen: was mache ich mit all dem Wissen? Wir gehen da, denke ich, ein bißchen weiter als die bekannten Jugendzeitschriften und andere Aufklärungsquellen, die zum Beispiel meistens vernachlässigen, wie wichtig das Gespräch für eine gelungene Paarbeziehung ist

Ich sehe meine Hauptaufgabe darin, echte Kommunikation zu fördern. Bei Mädchen stoße ich zum Beispiel häufig auf die romantische Vorstellung, der Partner könnte ihnen ihre Wünsche von den Augen ablesen. In der Tat sehe ich einen großen Bedarf an Gesprächsangeboten für Jugendliche. Eigentlich müßte das Thema "Partnerschaft und Sexualität" in jedem Ausbildungs- und Studiengang vorkommen

Frage: Worüber sprechen Sie mit jungen Leuten

Zett: Das hängt natürlich von der Gruppe ab. Ein Unterrichtsthema in einer neunten Klasse hieß kürzlich zum Beispiel "Wird Liebe unmodern im Cyber-Sex-Zeitalter?" Ein häufiger Einstieg ist die Frage, was sich die Jungen und Mädchen von einer Beziehung wünschen. Es geht darum, daß sie ein Bewußtsein für sich selbst und auch für ihren eigenen Körper bekommen, um bewußte, eigene Entscheidungen treffen zu können über ihre Sexualität. Dabei helfen auch die Grundlagen der natürlichen Familienplanung: Signale des Körpers kennenlernen und die eigene Fruchtbarkeit wahrnehmen lernen

Frage: Neuere Umfragen belegen bei Jugendlichen einen Trend zu beständigeren Beziehungen und zu einem verantwortlicheren Umgang mit Sexualität. Wie erleben Sie die Jugendlichen, mit denen Sie in Schulen und in Ihrer Beratungsstelle zu tun haben

Zett: Ich habe den Eindruck, daß Jugendliche im großen und ganzen sehr verantwortlich mit Sexualität umgehen. Einiges hat wahrscheinlich auch die Aids-Diskussion und die Angst vor Ansteckung dazu beigetragen

Die Mädchen erscheinen mir selbstbewußter als früher. Sie sagen eher, was sie wollen und lassen sich nicht so schnell zu etwas drängen, was sie nicht wollen. Bei den Jungen beobachte ich dagegen eine steigende Unsicherheit. Sie wissen nicht so recht, wie sie mit diesem neuen Selbstbewußtsein der Mädchen umgehen sollen

Frage: Ihr Angebot richtet sich nicht nur an Katholiken, sondern an alle interessierten Jugendlichen. Erhalten Christen bei Ihnen eine "Sonderlektion"

Zett: Nein, ich versuche allen gleichermaßen, den christlichen Hintergrund zu vermitteln. Ein Referat über die päpstlichen Enzykliken halte ich in der Regel auch bei christlichen Gruppen nicht, es sei denn, es kommen dazu spezielle Fragen

Frage: Stoßen Sie auf Vorbehalte, wenn Sie als Vertreterin der katholischen Kirche über Sexualität sprechen

Zett: Bisher habe ich nie erlebt, daß Schüler im Zusammenhang mit der katholischen Sexualmoral Vorurteile gegen mich als Kirchenvertreterin hatten. Kollegen der Lehrer, die mich in ihren Unterricht einladen, sind mir dagegen schon häufiger mit Skepsis begegnet. Bei näherem Kennenlernen haben sich die Fronten dann allerdings gelockert. Dem einen oder anderen habe ich vorgeschlagen, einmal mit an einer Unterrichtsstunde teilzunehmen

Frage: Sie haben in Berlin mit Alt- und Neubundesbürgern zu tun. Beobachten Sie Unterschiede im Umgang mit der Sexualität

Zett: Mir scheint, die Ostdeutschen haben ein unverkrampfteres Verhältnis zum eigenen Körper und zur Sexualität - wenn man das überhaupt so verallgemeinern kann

Woran das genau liegt, weiß ich nicht. Die Unterrichtsmaterialien der DDR für Sexualerziehung könnten eine Rolle spielen. Die waren gar nicht schlecht, eine Kombination von Offenheit und Verantwortung. Ich habe übrigens herausgefunden, daß der Arzt, der diese Schulbuchtexte federführend verfaßt hat, ein Christ war

Frage: Stellen wie Ihre gibt es in anderen deutschen Bistümern nicht. Wird in der katholischen Kirche genug getan, um Menschen in der Entwicklungszeit zu begleiten und ihnen Werte nahezubringen

Zett: Sicher könnte es mehr sein. Ein gutes Beispiel ist das dreitägige Jugendwochenende, zu dem vor kurzem die Norddekanate des Erzbistums Berlin eingeladen haben. Die sehr zahlreich angereisten Jugendlichen befaßten sich in Arbeitsgruppen mit Themen wie "Liebe, Werte, Treue", mit der Sexualität in den Medien, mit der Enzyklika Humanae vitae und mit NFP. Solche intensiven Veranstaltungen wünsche ich mir mehr

Eine Sexualpädagogische Fortbildung, die die Katholische Fachhochschule ab Juni anbietet, soll ein Schritt sein, die verbreitete Sprachlosigkeit zwischen den Generationen über Fragen von Partnerschaft, Sexualität und Fruchtbarkeit abzubauen

Interview: Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.04.1997

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