Soziale Spannungen aushalten
Neues Büro der Malteser in Hoyerswerda
Hoyerswerda - "Sozialistische Stadt" - das ist das Synonym für Hoyerswerda aus der Vorwendezeit. Heute verbinden viele den Namen mit Gewalt und Ausländerfeindlichkeit. Ein ganz anderes Bild, das vom Dienst am Mitmenschen, zeichnen seit 1993 die Malteser. "Hautnah dran" sind sie an den sozialen Problemen dieser Stadt. In einem Vereinshaus mitten im Neubauwohngebiet haben sie ihre Räume, gemeinsam mit Vereinen, Institutionen und zwei Jugendclubs
Die Malteser haben sich für diesen Standort zwar bewußt entschieden, er birgt allerdings auch Schwierigkeiten. Viele Menschen, gerade ältere, meiden die Umgebung der Jugendclubs und ziehen sogar aus den umliegenden Wohnungen aus
Mit den etwa 30 Klubmitgliedern kommen die Malteser gut aus. Häufig bekommen die Jugendlichen allerdings Besuch von 60 oder mehr gewaltbereiten Gästen. "Montags betritt man immer mit klopfendem Herzen die Geschäftsstelle", berichtet Sabine Mischner, Koordinatorin der Hoyerswerdaer Malteser
Einige Male schon fand sie die Räume bestohlen und verwüstet vor. Trotzdem will sich das kleine Team der Malteser nicht unterkriegen lassen. Im großen und ganzen fühlen sie sich als christliche Organisation "von der Bevölkerung angenommen und im Aufwärtstrend"
Zu den wichtigsten sozialen Diensten, die sie anbieten, gehört "Essen auf Rädern". Gerade in "Ghettostädten" wie dem Hoyerswerdaer Neubaugebiet wollen die Malteser mit diesem Dienst einen Beitrag gegen Vereinsamung und Hilflosigkeit leisten. Anette Bialas und Kerstin Tietz liefern die Essensportionen nicht nur ab, sondern bedienen ihre "Kunden"
Ein weiteres Betätigungsfeld der Malteser ist der Hauswirtschaftsdienst. Dazu gehören unter anderem Einkäufe und die Erledigung oder Begleitung von Behördengängen. Ebenso wie "Essen auf Rädern" ist dieser Dienst in Hoyerswerda noch ausbaufähig. Gut angenommen werden Erste-Hilfe-Kurse für Führerscheinbewerber und die Ausbildung zur Krankenschwesternhelferin
In Vorbereitung ist der Aufbau einer Kindergruppe, die Kindern nicht nur sinnvolle Freizeitbeschäftigung anbieten, sondern auch frühzeitig soziales Engagement wecken soll. Die Kontakte zur katholischen Pfarrgemeinde, zur Caritas-Kreisstelle und zur Caritas-Sozialstation betrachten die Malteser als gegenseitiges Geben und Nehmen, das gerade im atheistischen Umfeld Stärkung bedeutet.
Klaus Schirme
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.04.1997