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Bistum Dresden-Meißen

Der erste Griff zur Droge immer früher

Caritas-Suchtberatung

Der Fachverband Drogen und Rauschmittel hat die Sparmaßnahmen der Bundesregierung kritisiert. Die Hilfen für Drogenkranke würden immer mehr eingeschränkt. Der Tag des Herrn sprach mit Uta Burgard von der Dresdner Caritas

Frage: Wo müssen Sie denn sparen

Burgard: Uns treffen die Sparmaßnahmen wie einen Magersüchtigen, dem man Reduktionskost vorsetzt. In Sachsen gibt es 60 Suchtberatungsstellen, die mitten im Auf- oder Ausbau sind. Außerdem fehlen uns viele ergänzende Einrichtungen, etwa Projekte für betreutes Wohnen oder Arbeitsprojekte. Dafür brauchen wir Geld. Auch die Kranken- und Rentenversicherungen stellen weniger Mittel bereit und verkürzen die Behandlungsdauer

Frage: Der Alkoholismus spielte schon zu DDR-Zeiten eine große Rolle. Wie stellt sich die Suchtsituation im Osten Deutschlands heute dar

Burgard: Alkoholmißbrauch ist ein gesamtdeutsches Problem. Jeder Deutsche trinkt pro Jahr 11,2 Liter reinen Alkohol (in der DDR waren es rund 13 Liter). Bundesweit rechnen wir mit 2,5 Millionen behandlungsbedürftigen Alkoholkranken. Sie kommen heute aus schwierigeren Situationen. In der DDR hatte jeder einen Arbeitsplatz und eine Wohnung - auch wenn sie noch so schlecht war. Wie wollen sie jemanden motivieren, der keine Arbeit, vielleicht auch keine Wohnung hat? Hier muß sich die Suchthilfe ändern: Die Leute brauchen auch Möglichkeiten zum Schlafen, Duschen, Wäschewaschen und sie müssen lernen, ihren Alltag wieder in den Griff zu bekommen

Verändert zu DDR-Zeiten hat sich die Medikamentenabhängigkeit: Waren es damals etwa 70 Medikamente, die ein Suchtpotential hatten, sind es heute rund 400 Sorten. Mehr als früher kann man sie heute frei kaufen. 1994 wurden 131 Millionen Mark in den neuen Ländern für Schmerzmittel in Selbstmedikation ausgegeben. Die Betroffenen kommen in der Regel weniger in eine Behandlung

Frage: ... und der illegale Drogen-Markt

Burgard: Illegale Drogen fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Zahlen werden nur durch die Zahl der Verstöße gegen das Gesetz bekannt. Im Osten rechnet man mit 25 Delikten pro 100 000 Einwohner; im Westen sind es fast zehnmal soviel. Das klingt erstmal nicht so erschreckend. Anders wird es, betrachtet man das Einstiegsalter. Ostdeutsche Erstkonsumenten werden immer jünger. Eine besondere Rolle spielt Ecstasy, mit dem sich die Leute auf den sogenannten Techno-Discos aufputschen. Das harmlose Aussehen - Tabletten - verschleiert die Gefährlichkeit. Viele ostdeutsche Jugendliche nehmen auch Cannabisprodukte (Haschisch). Zu Heroin und Kokain sind Aussagen schwierig

Frage: Was wünschen Sie sich für die Aufklärung

Burgard: Gespräche über Drogen, illegale und legale wie Alkohol oder Tabak gehören in das alltägliche Leben. Verteufelung und strikte Verbote bringen wenig. Wichtig sind klare Aussagen über die Wirkung und damit verbundenen Gefahren. Eltern und Erzieher - auch Religionslehrer - sollten das gleiche Wissen haben und gesprächsbereit sein und sich auch mit dem eigenen Drogenkonsum kritisch auseinandersetzen

Interview: Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.04.1997

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