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Bistum Dresden-Meißen

Sozialpapier ist eine gute Grundlage

Ökumenischer Studientag in Dresden

Dresden - Eigentlich sollte es um die Bedeutung des Sozialwortes der Kirchen für die Europäische Ökumenische Versammlung in Graz Ende Juni gehen, bei diesem ökumenischen Studientag in Dresden. Der Stadtökumenekreis wollte unter dem Motto "Im Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit und Versöhnung" eine Verbindung schaffen von der Diskussion um die Thesen des aktuellen Papiers hin zu den Themen der Ökumenischen Versammlung. Es wurde daraus eine Diskussion über soziale Gerechtigkeit in Deutschland, über Arbeitslosigkeit, Verantwortliche und Lösungsmöglichkeiten

Bischof Joachim Reinelt - einer der Referenten des Tages - sprach über Versöhnung und Gerechtigkeit aus biblischer Sicht und machte deutlich, wie aktuell solche Aussagen heute sind. Er betonte, daß der Eigentumsbegriff, wenn er absolut gesetzt wird, unchristlich ist, denn alles gehöre Gott. Vor allem betonte der Bischof, daß er sich wünsche, die katholischen Christen "seines" Bistums wendeten sich nach außen zu denen, die nicht glauben. Unsere Hingabe - Gerechtigkeit, die sich nicht rechne - solle den anderen aufbrechen, damit Menschen aufeinander zugehen können

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde die soziale Situation in Ostdeutschland unter die Lupe genommen. Neben Geistlichen beider Kirchen waren Iris Kloppich, stellvertretende sächsische DGB-Vorsitzende, der Dresdner Sozialdezernent Dr. Klaus Deubel, der Ökumene-Referent des Bistums Dr. Bernhard Dittrich sowie Oberkirchenrat Tilman Winkler aus Hannover ins Ökumenische Informationszentrum gekommen. Dringend vonnöten gewesen wäre noch ein Vertreter aus der Wirtschaft, denn so blieben viele der Thesen unkommentiert im Raum stehen. Hier hätte man sich Antworten und manchmal auch sachliche Korrekturen gewünscht. Übereinstimmend gelobt wurde zunächst das gemeinsame Sozialwort der Kirchen. Oberkirchenrat Winkler, der selbst daran mitgearbeitet hatte, strich den Einfluß der Basis heraus. "Heute ist das Papier kein Druckerzeugnis, es ist eine richtige Bewegung", so Winkler

Ein großer Fortschritt sei die Geschlossenheit, mit der die Kirchen die Schrift ausgearbeitet hätten. "Nun, da das Papier mobilisiert hat, müssen Taten kommen", forderte Winkler. Die Gruppen, die die neoliberalen Tendenzen in der Gesellschaft aufhalten wollten, müßten zusammenwirken. Gerade die Kirchen müßten in sozialpolitischen Prozessen sofort und geschlossen Stellung beziehen. Auf fruchtbaren Boden fielen diese Worte bei Iris Kloppich vom DGB Sachsen. Sie fand das Sozialwort "eine gute Grundlage, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen". Es freue sie, daß es zwischen ihren eigenen Ansichten und der biblischen Sicht der Dinge keinen Dissens gebe. Bei der Aufgabe, mehr soziale Gerechtigkeit einzufordern, sei die Präsenz der Kirche sehr wohltuend

Iris Kloppich sah die Verantwortlichen für die soziale Situation in Ostdeutschland vor allem in den Führungsetagen großer Firmen. Daß Sparmaßnahmen auf Grund der Globalisierung von Wirtschaft notwendig seien, bezeichnete sie schlicht als "Mythos" - Riesen-Gewinne in Großunternehmen sprächen für sich. Gleichzeitig räumte sie ein, daß ein Großteil der sächsischen Unternehmen kaum Gewinne mache, weil "sie es nicht vermögen, betriebswirtschaftlich im Sinne der Marktwirtschaft zu handeln". Dabei müsse ihnen jetzt geholfen werden. An die Politik ging der Appell, daß Erwerbsarbeit durch gesellschaftlich nützliche Arbeit ergänzt und dann auch entsprechend entlohnt werden müsse. "Es muß wieder das Gemeinwesen im Mittelpunkt stehen". Aber gibt es in der Politik überhaupt noch Spielräume für so etwas? Dresdens Sozialdezernent Deubel ließ das offen

Zumindest dürfe man nicht immer weiter Sozialleistungen kürzen. Schließlich stehe im Sozialhilfegesetz, daß den Beziehern die "Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden" solle. Wichtig sei jetzt, neue Ideen und Wege zu entwickeln. Der Zwickel-Vorstoß zur Verkürzung der Arbeitszeit zeige immerhin, daß ein Umdenken eingesetzt habe und es eine Verzichtsbereitschaft in der Hoffnung auf Arbeitsplätze gebe

Der Dresdner Pfarrer Peter Knorn brachte ein weiteres Stichwort ein: Die im Sozialwort der Kirchen geforderte "Sozialpflicht des Eigentums". Eigentum läßt sich danach nur legitimieren, wenn es zu einem Teil im Sinne des Allgemeinwohls verwendet wird, beispielsweise zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Freilich, und das räumte auch Pfarrer Knorn ein, sei eine gesetzliche Regelung dieser Ansicht kaum durchzusetzen und aufgrund internationaler Verflechtungen etwa des Kapitals auch unmöglich

Ökumenereferent Dr. Bernhard Dittrich regte an, die Kirche könne in diesem Bereich wegweisend arbeiten. "Die deutsche Kirche muß abspecken, sie darf nicht an Besitzständen hängen", so Dittrich. Passend sowohl dazu wie auch zu den pauschalen Schuldzuweisungen an die Wirtschaft kam am Ende einer der besten Beiträge aus den Reihen der Zuhörer: "Müssen wir uns nicht alle an die eigene Nase fassen?", fragte da einer, "Man macht es sich immer so einfach und klagt nur bestimmte Gruppen an.

Christian Saadhoff / tdh

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.04.1997

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