Mangelnder missionarischer Elan
Prof. Friemel zum Katholizismus in den neuen Ländern
Erfurt / Bonn (tdh) - Das eigentliche Defizit der katholischen Kirche in den neuen Bundesländern sieht der Görlitzer Priester Franz Georg Friemel, Professor für Pastoraltheologie in Erfurt, nicht in finanziellen Engpässen, sondern in "mangelndem missionarischen Elan" und "geringer Phantasie von einem ansteckenden Glauben"
In der jüngsten Ausgabe des vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken herausgegebenen zeitgeschichtlichen "Ost-West-Informationsdienstes" äußert sich Friemel zur aktuellen Situation der katholichen Kirche in den neuen Ländern. Die Aufgabe, sich um Menschen zu sorgen, die nichts von Gott wissen, werde als dringlich empfunden. Die Katholiken wüßten aber nicht, wie sie bei den "scheinbar ,irreversibel' Gläubigen, die der SED-Staat produziert hat" Interesse für Gott wecken sollten, bedauert der Professor am Philosophisch-Theologischen Studium Erfurt. Angebote katholischer Gemeinden für Menschen, die das Christentum nicht kennen, seien nach wie vor Einzelfälle. "Es ist uns bislang nicht gelungen, die Suche nach den Suchenden aufzunehmen, wir haben keine Methode, auf die Nichtglaubenden zuzugehen und sie auf ihren Unglauben hin anzusprechen", lautet Friemels ernüchternde Einschätzung. Als positive Gabe, die die 800 000 Katholiken der neuen Länder den 25 Millionen Gläubigen in den Altbundesländern bringen könnten, nennt er die "aufgrund vieler Erfahrungen positive Zuordnung von ,Freiheit' zu ,Kirche' und ,Kirche' zu ,Freiheit' ". Im sozialistischen Staat sei Kirche eine Stätte des freien Wortes gewesen. Franz Georg Friemel äußert allerdings seine Skepsis, ob die "Erfahrungen der wenigen von den vielen ernstgenommen und aufgenommen werden."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.05.1997