Kirche sollte alltagsbezogener sein
Thüringer Bischöfe diskutieren über Kirche heute
Erfurt (BiP) - Großes Interesse fand die "Schöndorfer Talk-Runde" zum Thema: "Kirche in der modernen Gesellschaft" im Saal des Hotels Dorotheenhof in Weimar-Schöndorf, zu der der Bürgerverein "Großherzog Carl August" und die Thüringer Allgemeine geladen hatten
Bischof Joachim Wanke, der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Roland Hoffmann, Christine Herzog, Kommunionhelferin in der Herz-Jesu Gemeinde in Weimar, und Rudolf Hofmann, der Vorsitzende der Kreissynode, diskutierten mit dem Stellvertretenden Chefredakteur der Thüringer Allgemeine, Uwe Rave und Gästen aus dem Publikum über Pflichten, Aufgaben und Erwartungen an die Kirche
Der Kernsatz des Abends wurde von Bischof Wanke ausgesprochen: "Kirche in der modernen Gesellschaft stünde es gut an, sich mehr und konkreter in die Niederungen des Alltags zu begeben". Die Feststellung blieb unwidersprochen. Wanke selbst widersprach der These, daß die Religion aus dem öffentlichen Leben verschwinde. Die Menschen suchten vielmehr nach Religiösität, wenn auch teilweise außerhalb der Kirche
Allerdings scheine es immer schwieriger zu werden, die Inhalte von Glauben und Religion im Alltag zu vermitteln. "Wir brauchen deshalb eine neue Sprachkompetenz, die mit konkreten Handlungen zu verbinden ist", so der katholische Bischof. Sein evangelischer Amtskollege ergänzte, daß neben der Politik, Wirtschaft, Forschung, Kultur und Wissenschaft, auch die Religion zu allen Zeiten die Gesellschaft bestimmt habe. Stets sei ein Bereich übermächtig gewesen. Heute stelle sich die Frage, ob es nicht die Wirtschaft sei, die die gesellschaftliche Diskussion und das Leben dominiere. "Wir sagen instinktiv nein und wollen Kommunikation zwischen allen Bereichen.
Nach Christine Herzog hat die Kirche seit 2000 Jahren ihre Berechtigung und Attraktivität nachgewiesen. Das ändere aber nichts daran, daß Menschen in den Neuen Ländern als gebrannte Kinder die Bindung zu einer Organisation scheuten, weil ihnen einst eine Ideologie übergestülpt wurde. Der Wertkodex der Kirche sei nie einer Konjunkturschwankung unterworfen gewesen. Jeder Christ repräsentiere auch seine Kirche. "Insofern wird für mich Kirche in der Gesellschaft durch Eltern aktiv, die ihre Kinder verantwortlich erziehen und ihnen das Selbstvertrauen geben, auch einmal nein zu sagen", bekannte die Weimarer Krankenschwester
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.05.1997