Empfang in Mielkes Wohnräumen
Treffen der Opferverbände
Berlin (cku)- Welcher Ort wäre passender gewesen für das bundesweite Treffen von "Opferverbänden" und "Aufarbeitungs- initiativen" als die ehemalige Stasizentrale in der Berliner Normannenstraße? In einem Teil des Gebäudekomplexes, dem heutigen Lichtenberger Congress- Centrum, versammelten sich vom 25. bis zum 27. April über 200 Opfer und Gegner der SED- Diktatur zum Thema "Zwischen Hoffnung und Resignation - Herausforderungen der Aufarbeitung kommunistischer Gewaltherrschaft". Veranstalter waren die Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen
Während der Tagung verabschiedeten die Teilnehmer mit überwältigender Mehrheit eine Resolution an den Bundestag, in der es unter anderem heißt, daß "Totalitarismus in Deutschland nur dann glaubwürdig überwunden werden könne, wenn Opfer und Gegner beider Diktaturen, der braunen wie der roten, die gleiche Würdigung erfahren". Um die "ideelle und materielle Basis" dafür zu sichern, wird die Einrichtung einer Stiftung gefordert. Sie soll "In Erfüllung des Einigungsvertrages" aus dem Vermögen der "Täter-Partei SED" finanziert werden
Die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur sei bedroht von Verdrängung, stellte der Mannheimer Politikwissenschaftler Prof. Hermann Weber in seiner Rede fest. Legenden verklärten schon das "Bild einer heilen DDR". Ein "Hervorheben positiver Dinge" wiederhole sich. Doch "Verdrängung geht zu Lasten der Opfer und hilft den Tätern", sagte er. Der Vergleich, nicht die Gleichsetzung, von Nazi- und SED-Diktatur sei angebracht
Wolfgang Kusior, Soziologe aus Kassel, der 1989 die DDR verließ, nannte als Mißerfolge bei der Aufarbeitung u.a. mangelnde Opfer-Entschädigung, Fortführung der Rentenprivilegien für die DDR-Nomenklatur, Verschieben von SED-Vermögen, Weiterbeschäftigung von MfS-Mitarbeitern. Als Erfolge genügten das Stasi-Unterlagen- Gesetz, Gedenkstätten und Dokumentationszentren nicht. Immer wieder müßten Menschen mit "produktiver Unzufriedenheit" und dem Wissen um Unterdrückung ihre Erfahrungen weitergeben und den Blick schärfen für "totalitäre Versuchungen". Auch sollte man sich "gelegentlich die Lächerlichkeit der SED-Machthaber" vor Augen führen und sich an die "Freude der Öffnung" und die "Überwindung eigener Angst vor der Diktatur und die damit verbundene Lust zu handeln" erinnern
In der Podiumsdiskussion, moderiert von der Historikerin Isolde Stark, mit Gerald Häfner (Bündnis 90/Grüne), Markus Meckel (SPD), Peter Maser (CDU) und Hans Schwenke (FDP) ging es vor allem um die Finanzierung der geplanten Stiftung. Die einzelnen Verbände stellten sich mit Bücherständen, Fotos und Broschüren vor, und ihre Vertreter luden zum Gespräch ein.Vorm Haus 1 parkte ein Lieferwagen B 1000 und lud zur Sitzprobe in einem der fünf engen Käfige seines Inneren ein. Häftlingstransport unter strengster Bewachung. Im Erdgeschoß der Gedenkstätte eröffnete Siegmar Faust, Landesbeauftragter Sachsens, die Ausstellung "Unterdrückung - Aufbegehren - Widerstand". Er sprach vom "ersten Kreis der Hölle", an den die Erinnerung hier wachgehalten werde. In den Arbeits- und Wohnräumen Erich Mielkes fand ein Empfang statt für die Opposition, für die Opfer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.05.1997