Mit Schülern im Gespräch
Bischofsbesuch in Edith-Stein-Schule
Erfurt (bip) - Zum dritten Mal verbrachte Bischof Joachim Wanke fast einen ganzen Arbeitstag in der Erfurter Edith-Stein-Schule. Einer Einladung zum Schultag war er gerne gefolgt. Nach einem Gottesdienst für die Klassen 9 und 10 in der Kaufmannskirche schloß sich in der Aula ein Gesprächskreis mit den Schülersprechern aller Klassen an
"Warum sind Sie Priester und nicht Ordensmann geworden?" und "Was war die größte Freude in Ihrem Leben?" waren zwei der Fragen, die der Bischof von den Schülern gestellt bekam. Da er gute Priester in seiner Gemeinde erlebt habe und selbst auch direkt in einer Gemeinde wirken wollte, sei er Diözesangeistlicher geworden. Außerdem seien zu DDR-Zeiten die Möglichkeiten einem Orden beizutreten, doch recht begrenzt gewesen, antwortete der Bischof. Seine größte Freude sei es, wenn er Priester weihen dürfe. Auch als er 1985 das erste Mal nach Rom zum "ad-limina"-Besuch reisen durfte, habe er sich sehr gefreut. Es sei das erste Mal gewesen, daß er direkten Kontakt zur Weltkirche hatte und deren Internationalität erleben durfte
Auf das Engagement der Diözese im Schulbereich angesprochen, mahnte der Bischof zu Realismus. Eine dritte Schule in kirchlicher Trägerschaft werde es im Bistum in absehbarer Zeit sicherlich nicht geben. Man sei bereits mit zwei Gymnasien - der Edith-Stein-Schule in Erfurt und dem Elisabeth-Gymnasium in Heiligenstadt - personell und finanziell stark belastet. Kirche in der Diaspora könne nur an wenigen Stellen symbolhaft zeigen, daß man in der Lage sei, eigene Bildungseinrichtungen zu führen. Jedoch sollten staatliche Schulen zu keinem religionsfreien Raum werden
Muntere und kritische Schüler erlebte der Bischof anschließend bei einer Diskussion zum Sozialwort der beiden großen Kirchen "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit". Die Abschlußklasse des Realschulzweigs 10 R und deren Sozialkundelehrerin Wiltrud Thor hatten sich umfassend auf die Diskussion vorbereitet. Nach Bischof Wanke lebt gute Politik davon, daß sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen konstruktiv in die Diskussion einbringen. Auch die Kirchen seien hier gefordert. Sie sollten und dürften keine Parteipolitik betreiben, könnten jedoch einen neutralen Diskussionsrahmen und Raum bieten, der bei der Diskussion zum Sozialwort auch in guter Weise genutzt worden sei. Beim anschließenden Gespräch mit dem Lehrerkolleg erinnerte Joachim Wanke daran, daß es die religiöse Dimension ist, die den Schulen in kirchlicher Trägerschaft die "Seele" gibt. In der Diaspora und in einer Zeit - in der der Alltag fast vollständig religionsfrei geworden sei - müsse die Religion in den Schultag so integriert werden, daß sie für Lehrer und Schüler eine Selbstverständlichkeit werde
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.05.1997