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Bistum Erfurt

Wer vom Himmel weiß, bleibt Mensch

Frauenwallfahrt - Männerwallfahrt

Kerbscher Berg / Klüschen Hagis (BiP/fun) - Christen sind Menschen, die bewußt auf ihrem Lebensweg unterwegs sind. Um sich dies wieder einmal richtig klar zu machen, hatten sich zahlreiche Männer und Frauen aus dem Eichsfeld, der Rhön sowie aus angrenzenden Diasporaregionen und von weiter her am Himmelfahrtstag und am vergangenen Sonntag zur Wallfahrt aufgemacht: Im Klüschen Hagis bei Wachstedt kamen zu Christi Himmelfahrt rund 15 000 Männer und auch einige Frauen zur Männerwallfahrt zusammen. Knapp 2000 Frauen trafen sich am vergangenen Sonntag auf dem Kerbschen Berg bei Dingelstädt zur Frauenwallfahrt des Bistums Erfurt. "Herr, füll mich neu mit deinem Geist" hatte das Vorbereitungsteam die Wallfahrt überschrieben und damit zugleich das zentrale Gebetsanliegen des Tages formuliert. "Die Erde gestalten - das Reich Gottes suchen" lautete das Thema der 41. Männerwallfahrt

Daß dieses Thema sehr viel mit der Alltagswirklichkeit zu tun hat, machte Bischof Joachim Wanke in seiner Predigt deutlich. Wanke rief alle Verantwortlichen zur Schaffung neuer Ausbildungs- und Arbeitsplätze auf. "Das Thema ,Arbeit für alle' muß ganz oben auf der politischen Tagesordnung bleiben", so der Bischof während des Gottesdienstes, der von der ARD bundesweit übertragen wurde. "Arbeitslose könnten "wahrhaftig nicht mit dem Himmel vertröstet werden". Aber wer um den Himmel wisse, wisse auch, "daß er kein Mensch zweiter Klasse ist, auf den andere herabschauen können"

Der Bischof forderte die Politiker auf, zur Wahrheit zu stehen. Die Freiheit sei nicht errungen worden, um nun im Egoismus von Interessensgruppen unterzugehen. "Wir brauchen Politiker, die uns die Wahrheit sagen und die die Aufgaben, die anstehen, klar benennen. Aber wir brauchen auch eine Bevölkerung, die die Wahrheit verträgt und ihr nicht ausweicht", sagte Wanke. Die soziale Marktwirtschaft brauche beides, eine moralische und eine strukturelle Erneuerung. Es brauche Reformen, die der Solidarität und der Gerechtigkeit durch Gesetzeskraft Nachdruck verleihen. Der Ehrliche dürfe nicht der Dumme sein. "Wer Rechte in Anspruch nehmen will, muß sich auch den Pflichten stellen. Wir brauchen nicht Freiheit von Verantwortung, sondern Verantwortung in Freiheit", so Wanke. Dabei helfe das Gemeimnis des Himmelfahrts-Tages: "Wer den Himmel kennt", so der Bischof, "verträgt Wahrheit, behält Standfestigkeit, bleibt angstfrei. Und für ihn sind Solidarität und Mitgefühl keine Fremdworte.

Am Ende der Wallfahrt, zu der auch Weihbischof Koch gekommen war und die durch die Teilnahme von Bischof Adrian Ddungu aus Uganda und dessen Weihbischof Kaggwa eine weltkirchliche Dimension hatte, brachte Wanke eine Sorge vor die Wallfahrer. Er habe noch Arbeitsplätze zu vergeben, meinte er, und bat die Wallfahrer um Priesterberufungen zu beten

Eine ganze Menge mit Gebet und Sich-von-Gott-beschenken- lassen hatte auch das Wallfahrtsanliegen der Frauen zu tun, die sich drei Tage später gemeinsam mit dem Bischof und Weibischof Hans-Reinhard Koch auf dem Kerbschen Berg bei Dingelstädt trafen. Das Thema "Herr, füll mich neu mit deinem Geist" traf die Situation vieler Frauen, die in Beruf und Familie stehen. Jede Frau habe den Wunsch, den Alltag zu bewältigen, aber auch für sich Ruhe zu finden. Diese Sehnsucht wurde in einem Anspiel während der Eucharistiefeier verdeutlicht. Die Kraft zu bekommen, die von verschiedensten Seiten her einstürmenden Ansprüche zu bewältigen, darum beteten die Frauen: "Herr, füll mich neu mit deinem Geist. Laß mich in der Geschäftigkeit auch irgendwann zur Ruhe kommen.

Bischof Wanke bezog sich in seiner Predigt sowohl auf die Bitte der Frauen als auch auf das Tagesdatum, den Muttertag. "Laß dich einmal anschauen", begann der Bischof. So wie eine Mutter ein Kind nach einer langen Reise anschaut, so wolle sich auch Gott jedem Menschen zuwenden. Gott tue dies wie jemand, der ganz für den anderen da sein will, wie jemand, dem man begegnen kann, egal in welcher Situation man gerade ist

Was Gott gelinge, sei für die Menschen im Alltag nicht immer so möglich, fuhr der Bischof fort. Oft gebe es Situationen, in denen Menschen anderen gegenübersitzen und nicht mit ganzem Herzen für sie da sind. Eine solche Situation werde auch an den beiden biblischen Frauen Martha und Maria deutlich: Während sich Maria Jesus ganz zuwende, sei Martha nicht vollkommen bei Jesus. Jede Frau sei wie Martha im Alltag von verschiedensten Seiten gefordert: von Familie und Beruf, von der Gemeinde und von Freunden, von privaten Interessen. Darum sei es nicht so leicht, die Kraft zu finden, in der jeweiligen Situation immer mit ganzem Herzen dabeizusein

Angesichts dieser Wirklichkeit sahen der Bischof und die Frauen Gründe genug, in Gebet und Gesang Gott darum zu bitten, er möge sie mit seinem Geist erfüllen. In der abschließenden Feierstunde wurde nochmals die Begegnung mit Christus besonders beleuchtet. Wie bei Martha und Maria könne sich durch die Begegnung mit Jesus bei jedem Menschen die Blickweise verändern und besser deutlich werden, worauf es im Leben wirklich ankommt und was wichtig ist.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.05.1997

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