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Lebensfreude, die ansteckt

Kinder- und Jugendarbeit in Heiligenstadt

"Da kommt sie, unsere Wirbelwindschwester", scherzt Markus Hampel, Jugendpfarrer im Heiligenstädter Marcel-Callo-Haus, und lächelt Schwester Margareta schon von weitem zu. Im gleichen Moment fliegt ein schwarzer Rucksack auf den Fußboden: "Guten Morgen allerseits", ruft Schwester Margareta fröhlich in die Runde

Sie trägt die grau-schwarze Ordenskleidung der Heiligenstädter Schulschwestern, die es in Heiligenstadt schon seit 1862 gibt. Begonnen hat damals alles mit vier Lehrerinnen, die sich zuerst um die Bildung von Mädchen kümmerten. Später engagierten sie sich in eigenen Schulen, Kindergärten und in der Krankenpflege

Die 33jährige Schwester ist im Eichsfelder Dekanat Küllstedt für die offene Kinder- und Jugendarbeit zuständig, und das nicht nur acht Stunden am Tag. Dabei spielt ihr Wohnort sicherlich keine unbedeutende Rolle: ihre Wohnung befindet sich direkt in der Bergschule St. Elisabeth, in der Sr. Margareta als Lehrerin tätig ist. Aber auch sonst können die Jugendlichen immer wieder zu ihr kommen. Sei es um zu reden, sich auszuruhen oder zum Bibelkreis... Bevor dieser jedoch beginnt, kocht die junge Ordensfrau mit den jungen Leuten erst einmal Abendessen

Margareta Kühn unterrichtet an der Katholischen Berufsbildenden Schule junge Leute, die Erzieher werden wollen. Weil heute Dienstag ist, beginnt um neun Uhr der Unterricht im Fach Jugendpädagogik. Die 18 bis 20jährigen Schüler haben bereits eine Berufsausbildung hinter sich. Nun besuchen sie an der Bergschule zwei Kurse, die jeweils ein Jahr dauern. Nach einem anschließenden einjährigen Berufspraktikum haben sie es geschafft: sie sind staatlich anerkannte Erzieher

Schwester Margareta öffnet die Tür zum Klassenraum. Etwa 80 Augenpaare richten sich gespannt auf die Lehrerin, die sich an den Tisch in der Mitte des Raumes setzt. "Bei welchem Punkt waren wir?", fragt sie in die Runde. Zum Unterrichtsthema hat zwar jeder aus der aufgeweckten Gruppe etwas zu sagen, dennoch soll es dabei in dieser Stunde nicht bleiben: "Schwester, wir fahren doch heute auf Klassenfahrt und viele der Spiele, die wir gelernt haben, wissen wir schon nicht mehr", ruft die blonde Cindy. "O.k. die letzte Viertelstunde ist dafür reserviert", schmunzelt Schwester Margareta und nickt ihr freundlich zu. Als es soweit ist, schnappen sich alle ihre Stühle und stellen sie in einem Kreis auf. "Wie war noch einmal das Spiel mit den Pullovern?", fragt Markus, Sr. Margareta weiß Rat. Während des Spiels blickt sie zufrieden und stolz über die kleine Runde. Sie lacht, kein Wunder - das Schreien, Zurufe und Gelächter zeigen, daß diese Jugendlichen nicht zu alt sind, an Spielen Spaß zu haben

Nachdem Schwester Margareta sich von allen verabschiedet hat, geht es zum nächsten Unterricht in den Oberkurs. Nach dem Mittag fährt sie in den kleinen Ort Beberstedt. Insgesamt betreut sie seit Juli vergangenen Jahres vier Dörfer im Dekanat Küllstedt. Die ausgebildete Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin hat sich dafür entschieden, für ein Dekanat die Kinder- und Jugendarbeit zu organisieren und voranzutreiben. So kann sie in jedem Dorf wenigstens einen Nachmittag und Abend den Kindern und Jugendlichen widmen - auch wenn das manchmal schon zu wenig sei: "Oft ist es so, daß wir mit irgendeinem Projekt angefangen haben - beispielsweise mit dem Einüben eines Theaterstückes - und die Kinder weitermachen wollen. Dann muß ich sie immer auf die nächste Woche vertrösten", erzählt sie mit Bedauern über ihre dicht gedrängte Wochenplanung

Heute aber wird Sr. Margareta Unterstützung bei ihrer Arbeit bekommen, die 19jährige Violetta begleitet sie nach Beberstedt. Sie ist Schülerin im Unterkurs und muß innerhalb ihrer Ausbildung zur Erzieherin für Kinder der ersten bis vierten Klasse einen Nachmittag gestalten. Gedanken hat sich die junge Frau schon einige gemacht und weil die Beschäftigung mit den Kindern benotet wird, ist sie auch dementsprechend aufgeregt. "Ich hoffe für Violetta, daß die Kinder heute nicht ganz so aufgedreht sind, weil sie direkt nach der Schule hierher kommen", meint die Schwester und nimmt mit ihrem Kleinwagen schwungvoll die Straßenkurven, die sie schon auswendig zu kennen scheint. In Beberstedt angekommen drückt sie Violetta noch einmal kurz zur Aufmunterung die Hand

Nach den Kleinen kommen die Schüler der fünften bis siebten Klasse und danach ist Jugendabend. Während dieser Treffen geht Schwester Margareta auf die Interessen der Gruppe ein: "Am Anfang dachte ich, daß jedes Alter an ungefähr den gleichen Sachen Gefallen findet. Das ist jedoch nicht so. Die einen sind handwerklicher begabt und töpfern beispielsweise gern. Mit den anderen kann man sehr gut ein Theaterstück einüben, das sie dann auch während der Gottesdienste aufführen können, was der Gruppe, die sich total für Singen und Spielespielen begeistern kann, überhaupt nicht liegen würde.

Wenn Schwester Margareta über ihre Arbeit - die sie nicht als solche ansieht - voller Begeisterung spricht, kann man sich gar nicht vorstellen, daß es schwer sein soll, Kinder und Jugendliche für eine Sache zu begeistern. "Man muß eben nur auf sie eingehen und sich Zeit nehmen. Die Grundstrukturen für eine solche Arbeit sind überall vorhanden. Und sei es nur ein winzig kleiner Raum; wenn man will, geht es" , lächelt sie zuversichtlich

Die Erfahrungen vo

Schwester Margaret

sollen Beispiel sein, für die künftige Arbeit der Kinder- und Jugendseelsorge im Landkreis Eichsfeld. "Seit Anfang des Jahres gibt es einen Jugendförderungsplan, mit dem das Land Thüringen Geld für die offene Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stellen will", berichtet die Schwester über das geplante Projekt, das seit Anfang des Jahres im Gespräch ist. Im Landkreis Eichsfeld gebe es sieben Dekanate, für die auch sieben hauptamtliche Mitarbeiter eingesetzt werden könnten. "Sie werden dann in den Dekanaten die Arbeit erledigen, die ich in Küllstedt seit knapp einem Jahr mache." Nur so - also nicht im ganzen Landkreis, sondern innerhalb der einzelnen Dekanate - sei eine effektive Jugendarbeit in den Dörfern möglich

Bei Sr. Margareta zeigen sich mittlerweile die Früchte ihrer Arbeit: "Zu den Nachmittagen kommen immer mehr Kinder. Entweder schicken die Eltern ihre Sprößlinge an dem Nachmittag gleich nach der Schule zu mir; oder die Kinder selber bringen Freunde mit." In Beberstedt hat sich mittlerweile alles so gut eingespielt, daß Sr. Margareta hier schon tatkräftige Helferinnen hat. "Ich bin mir sicher, daß der Dienstagnachmittag bald auch dann läuft, wenn ich aus irgendeinem Grund nicht hierher fahren könnte", sagt sie nicht ohne Stolz. Und neben den Hauptamtlichen kommt es immer wieder auf die Leute vor Ort an: Gesucht sind engagierte Menschen - egal ob jung oder alt - die bereit sind, die Kinder- und Jugendarbeit in den Dörfern in ihrer Freizeit zu unterstützen. "Bisher konnte ein solches Projekt jedoch nur im Dekanat Küllstedt verwirklicht werden", erklärt die Ordensfrau

Inzwischen liegt ein anstrengendes Programm hinter Schwester Margareta. Schwungvoll verstaut sie Gitarre und Bastelzeug im Auto. Für heute hat sie es jedoch noch nicht ganz geschafft: "Jetzt fahre ich noch zu einem Treffen im Marcel-Callo-Haus für ehrenamtliche Jugendarbeit", erklärt sie und steigt ins Auto - so enthusiastisch, als ob der Tag gerade angefangen hätte. Katharina Funke

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.05.1997

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