Tradition und Zukunftshoffnung
Dreifaches Jubiläum im Christophorus-Gymnasium Droyßig
Droyßig (dw) - Noch vor wenigen Jahren bildete die DDR ihre Pionierleiter hier aus; seit fünf Jahren werden die "Droyßiger Anstalten" wieder von einer christlichen Schule genutzt. Schüler und Ehemalige, Lehrer und Eltern der Jugenddorf-Christophorusschule in Droyßig hatten bei der Jubiläumsfestwoche vom 5. bis 10. Mai noch mehr Grund zum Feiern
Vor 150 Jahren stiftete der Droyßiger Schloßherr Fürst Otto-Victor von Schönburg-Waldenburg die Droyßiger Anstalten als evangelisches Lehrerinnenseminar, und vor 50 Jahren gründete sich das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands, in dessen Trägerschaft das Gymnasium heute steht
Gerade die Älteren in der Festgemeinde empfanden es auch nach fünf Jahren noch nicht als Selbstverständlichkeit, daß es heute im südlichsten Zipfel Sachsen-Anhalts ein christliches Gymnasium gibt. Christen der Region und ehemalige Schülerinnen der Droyßiger Anstalten hatten nach der Wende heftig mit den Nachfolgern der FDJ um die künftige Nutzung der Immobilien gerungen
Mitte der 80er Jahre hatte die DDR-Regierung in diesen Gebäuden die Internierung von 800 Regimegegnern geplant. Die FDJ-Nachfolger wollten hier einen Hotel- und Dienstleistungskomplex entstehen lassen
Mit besonderem Engagement setzte sich der katholische Pfarrer von Droyßig, Hans Mittenentzwei, für die Gründung eines christlichen Gymnasiums ein. In der ersten Legislaturperiode war er der ehrenamtliche Bürgermeister der kleinen Gemeinde Droyßig, und noch heute arbeitet er im Gemeinderat mit
Die Festwoche nutzte die Schulgemeinschaft aber nicht nur für einen Blick auf die eigenen Ursprünge. "Zukunft erleben - Zukunft gestalten - Zukunft verantworten" stand als Motto über den Tagen. Fernsehjournalist Franz Alt hielt den Festvortrag zum Thema "Arbeit für alle - das ökologische Wirtschaftswunder". Mit Schülern der 10. und 11. Klasse und Sachsen-Anhalts Umweltministerin Heidrun Heidecke (Bündnis 90/Die Grünen) fand am 16. Mai ein Zukunftsseminar in der Schule statt. Auch der ökumenische Festgottesdienst in der evangelischen St. Bartholomäus-Kirche hatte die Zukunft zum Thema
Um zukunftsweisende Unterrichtsansätze bemüht sich die Jugenddorf-Christophorus-Schule dem Pressebeauftragten Andreas Müller zufolge auch fernab der festlichen Höhepunkte. Als Beispiel nennt er die intensive Zusammenarbeit mit den Eltern, die Übertragung von Verantwortung an die Schüler und den Blockunterricht
Für die sechste Klasse etwa ist ein dreitägiges Biologiepraktikum "Ökosystem Wald" vorgesehen, in den höheren Klassen gibt es einwöchige Sozialpraktika, wirtschaftspolitische Seminare und Europa-Seminare mit einem Besuch in Brüssel
Eine Besonderheit ist auch der konfessionsübergreifende Religionsunterricht, der mit zwei Wochenstunden für alle Schüler Pflicht ist. Zu Beginn der dritten Unterrichtsstunde ist eine Minute der Besinnung vorgesehen, in einem Raum der Stille wird zu wöchentlichen Frühandachten eingeladen
Die Schüler kommen aus einem großen Einzugsgebiet in den ehemaligen Luftkurort. Die meisten gehören keiner christlichen Konfession an, entscheiden sich aber bewußt für die Konzeption in Droyßig. So war es jedenfalls bis vor kurzem. Seit der Einführung der Förderstufe an den staatlichen Schulen Sachsen-Anhalts steigt bei allen Gymnasien in privater Trägerschaft die Zahl der Bewerber, die sich nur für die Schule interessieren, weil sie dort die Förderstufe umgehen können
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.05.1997