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Aus der Region

Jeder Christ ist gefragt

Interview mit Bischof Wanke

Mitte Mai fand in Berlin eine europäische Tagung zur Frage der Hinführung Erwachsener zum Glauben statt (Bericht S. 12). Aus Ostdeutschland nahmen Bischof Wanke, der Erfurter Liturgiker Schneider sowie Professor Franz aus Dresden teil. Der Tag des Herrn sprach mit Bischof Wanke über die Katechumenatspraxis in den neuen Bundesländern

Wie steht es um den Katechumenat bei uns?
Wenn überhaupt, so gibt es nur in den größeren Stadtgemeinden Erfahrungen damit. Die Taufe Erwachsener und deren Vorbereitung darauf wird weithin als alleinige Aufgabe des Pfarrers betrachtet. Das Gespür dafür, daß die ganze Gemeinde für ihre Taufbewerber Mitverantwortung trägt, ist noch wenig entwickelt. Zudem wird Religion als Privatsache gesehen. Entsprechend wird Kircheneintritt oder Konversion als persönliche Angelegenheit verstanden, in die man sich nicht einmischen darf. Diese Mentalität muß überwunden werden.
Was ist zu tun?
Wichtig ist vor allem, daß wir lernen, von unseren Glaubens- und Gotteserfahrungen zu sprechen. Und zwar in einfacher Sprache und mit Bezug zu unserem Alltag.
Fehlt es an missionarischem Engagement?
Das Wort Mission ist heute belastet. Es wird in die Nähe von Seelenfang gerückt, wie man es von Sekten kennt. Viele Christen sind, ohne es zu wissen, "missionarisch", das heißt, sie bezeugen glaubhaft anderen Gottes Nähe und Liebe. Viele scheuen sich jedoch auch, ihr Christsein offen zu zeigen. Das ist schade, weil sie anderen etwas Wichtiges vorenthalten
Wie können Nichtchristen sonst noch mit dem Evangelium in Kontakt kommen
Die wichtigste Kontaktmöglichkeit sind gestandene Christen. Glaube entzündet sich am Glauben von Personen, nicht an Werbeaktionen kirchlicher Institutionen. Dennoch sind flankierende Hilfen sinnvoll: Etwa offene Veranstaltungen unserer Gemeinden oder Projekttage mit nichtchristlichen Schülern im kirchlichen Jugendhaus. Auch unsere Verbände mit ihren Initiativen sind manchmal Eingangstüren zur Kirche
Welche Kontaktmöglichkeiten sollten die Kirchen außerdem anbieten?
Der Gottesglaube ist keine Ware. Doch wo aus ihm gelebt wird, ist er interessant. Nur: Die Biografien der Menschen sind heute sehr "bunt". Wir brauchen also vielgestaltige "Räume" für Menschen, die Kontakt zur Kirche suchen. Nicht jede Gemeinde kann alles. Mehrere sollten sich deshalb zusammentun, um wenigstens ein Angebot zu machen. Zum Beispiel Müttertreffs oder die Aktion "Offene Kirche" mit Gesprächsangebot in den Innenstädten. Sozialarbeit wie etwa in den Arbeitslosentreffs sollten der Caritas nicht allein überlassen werden. Chancen bietet von Senioren selbst gestaltete offene Seniorenarbeit. Und auch Besuchs- und Beratungsdienste werden künftig noch mehr gefragt sein.

Interview: E. Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.06.1997

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