Gott hat sein Volk angerührt
Vom Papstgottesdienst
Görlitz / Liegnitz - "Der Papst ist wirklich ein alter Mann geworden, aber er kann die Menschen immer noch begeistern." Erschöpft, aber glücklich trat Franziskanerpater Basilius Iwanek nach dem Gottesdienst mit dem Papst in Liegnitz die Heimreise ins 100 Kilometer entfernte Görlitz an
Der Oberschlesier, der seit zwei Jahren Seelsorger im Bistum Görlitz ist, kennt Karol Woytila schon aus der Zeit, bevor er Papst wurde. "Schon lange nicht mehr habe ich ihn von so nahem gesehen", erzählte er der Görlitzer Reisegruppe auf der Rückfahrt in einem klapprigen Bus, der bis in die polnische Grenzstadt Zgorzelec fuhr. Pater Basilius gehörte mit hunderten polnischen, tschechischen und deutschen Priestern und Bischöfen zu den Konzelebranten des ersten Papstgottesdienstes in der noch jungen Diözese Liegnitz
Am Tag zuvor hatte er die Auftritte und Begegnungen Johannes Pauls II. beim Eucharistischen Weltkongress in Breslau vom Fernsehbildschirm aus verfolgt. Über den Appell an die polnischen Katholiken, sich in die Gesellschaft einzubringen, hat er sich gefreut. Auch das Drängen des Papstes auf ökumenischen Fortschritt hält Pater Basilius für wichtig
Er rührte in Görlitz kräftig die "Werbetrommel" für die Busfahrt nach Liegnitz. Die Nachbardiözese hatte an die Görlitzer Katholiken eine spezielle Einladung gerichtet
"Ist doch selbstverständlich, daß ich da hinfahre. Wir haben es doch so nah", war die spontante Reaktion einiger Mitfahrer, die für diesen Ausflug einen Urlaubstag opferten. "Im vergangenen Jahr in Berlin konnten wir den Papst gar nicht sehen. Vielleicht klappt es ja diesmal", hofften drei Jugendliche aus der Görlitzer St.-Jakobus-Gemeinde
Tatsächlich waren es auf dem ehemaligen russischen Militärflughafen in Liegnitz dann nur rund 150 Meter Luftlinie von ihrem Standort im Block C 2 bis zur Altarinsel
Obwohl ihre Sicht auf den Papst meistens verdeckt war durch das Standgerüst eines Kamerateams oder durch Pilger, die ihre Sitzhocker als Leiter nutzten, fühlten sich die drei sichtlich wohl. Daran konnten selbst die fehlenden Sprachkenntnisse nichts ändern
"Wenn der Papst nochmal nach Polen käme, würde ich sofort wieder hinfahren", sagte eine Zisterzienserin aus dem Kloster Marienthal. "Alles war so spontan, familiär und festlich. Man merkt, daß die Polen den Papst lieben." In Deutschland werde dagegen in der Regel schon im Vorfeld der Papstbesuche "gemeckert und alles mies gemacht". Karl-Heinz Grimm, Pfarrer der Görlitzer Heilig-Kreuz-Gemeinde freute sich über die "junge, lebendige, geistlich reiche und dennoch schlichte Kirche", die er in Liegnitz erlebt hat. Als Diasporapfarrer habe ihm diese Erfahrung sehr gut getan. Er ist überzeugt, von den polnischen Katholiken vieles lernen zu können. Beeindruckt war er auch vom Ausklang der Feier: "Überhaupt keine Hektik, man ging in tiefem Frieden nach Hause. In diesen Augenblicken konnte ich nur noch denken: Gott hat sein Volk angerührt." Dorothee Wanzek
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.06.1997