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Bistum Magdeburg

Künstler mit starkem Freiheitssinn

40 Jahre "Galerie Wort und Werk"

Halle (dw) - Kirche und Kunst - zu keiner Zeit ist das Verhältnis zwischen diesen beiden "Schwestern" wohl einfach gewesen. Künstlerisches Freiheitsbedürfnis beißt sich mit kirchlichen Strukturen und mit kirchlichem Sendungsbewußtsein. Künstlerische Eitelkeit kollidiert mit pfarrherrlichen Eitelkeiten und mangelndem Kunstsachverstand

Meinolf Splett ist ein Künstler, der mit seinem ausgeprägten Sinn für Freiheit und Gerechtigkeit sein ganzes Leben lang - und beileibe nicht nur in der Kirche - angeeckt ist. Gemälde, Mosaike und Holzschnitte des 86jährigen Hallensers finden sich in vielen katholischen Gemeinden des Bistums Magdeburg und auch darüber hinaus

Der Künstler, der vor 40 Jahren die Christliche Künstlervereinigung "Galerie Wort und Werk" in Leipzig mitbegründete, gestaltete unter anderem die Krypta der Merseburger St.-Norbert-Kirche, er schuf ein Altarbild für das Seelsorgehelferinnenseminar in der Magdeburger Oststraße, ein Bischofskreuz für Rintelen und einen Flügelaltar für die Quedlinburger St.-Mathildenkirche

Die Liebe zur Kunst schien dem jüngsten Sohn Otto Spletts, des Leiters der Halleschen Zentrumspartei, keinesfalls schon in die Wiege gelegt zu sein. Als er seinem Vater gegen Ende der Schulzeit von dem Vorhaben erzählte, Maler zu werden, hatte er noch kein einziges Bild gemalt. Er war einfach fasziniert von der Kunst und hatte darüber hinaus nach einem schweren Straßenbahnunfall in der Kindheit gelernt, sich von widrigen Umständen nicht unterkriegen zu lassen

Auf den Rat seines Vaters hin begann Meinolf Splett seine Laufbahn mit einer Lithographie-Lehre und fing in dieser Zeit an, auf ausgedehnten Kajaktouren Aquarelle zu malen. Eine Ausbildung in der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Studium an der Staatlichen Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig und Wanderjahre mit dem niederrheinischen Kirchenmaler Bernd Terhorst schlossen sich in den 30er Jahren an

Von Anfang an wollte er sich in seiner Kunst wesentlich an der zeitlosen "Dynamik der Schöpfung" orientieren. In das System der Schöpfung einzudringen auf der Suche nach dem Letzten, war für Splett, der sich selbst als "tiefreligiösen Menschen" bezeichnet, eine Triebfeder. "Man weiß als Maler, daß man vor dem Nichts steht", sagt er

Das Thema ist bei ihm entscheidend für die Form eines Kunstwerkes, umgekehrt wie etwa bei Albrecht Dürer. Das schlägt sich unter anderem darin nieder, daß es in seinen Werken kaum Wiederholungen gibt

Ein Thema, das ihn auf unterschiedliche Weise immer wieder interessiert hat, ist zum Beispiel der Kreuzweg Christi. Die eigentliche Sprache der Kunst sieht er aber nicht im Thema, sondern in Thema und Form gemeinsam repräsentiert, die innerhalb des Bildes einen dynamischen Vorgang voranbringen. Faszination üben auf ihn die geometrischen Geheimkenntnisse der alten Künstler zur Zeit Leonardo da V../../incis aus, die die Meister damals jeweils nur an ihre besten Schüler weitergaben und auf deren Spur er gekommen zu sein glaubt

Seine Abneigung gegenüber statischem Denken sieht er als eine Ursache dafür, daß er sowohl mit der Diktatur der Nationalsozialisten als auch mit der kommunistischen Diktatur aneinandergeriet. 1939/40 war er politischer Häftling, nachdem ihn ein Lehrling denunziert hatte. Er hatte den Nationalsozialismus als Wegbereiter des Kommunismus bezeichnet und prophezeit, daß Hitler nichts anderes als der Selbstmord übrig bleiben würde. Einige seiner Arbeiten wurden in München als "entartete Kunst" vernichtet

In der DDR-Zeit sah Meinolf Splett während der 50er und 60er Jahre vor allem seine Arbeit und eine mögliche Professur in der Burg Giebichenstein behindert

Nachdem er anfangs in Halle noch in der Künstlervereinigung "Die Fähre" mitgearbeitet hatte, zog er sich später aus der Öffentlichkeit zurück, als die DDR-Kunst zunehmend von der Formalismus-Kampagne bestimmt wurde und er dadurch immer mehr unter Druck geriet

In den 70er und 80er Jahren habe sich der Druck gelockert. 1976 erhielt Meinolf Splett den Kunstpreis der Stadt Halle, 1981 die Verdienstmedaille der DDR. Dafür erwachte in dieser Zeit seine Bitterkeit gegenüber Vertretern der katholischen Kirche

Besonderen Schmerz empfindet er noch heute, wenn er auf die frühen 80er Jahre angesprochen wird. In der Halleschen St.-Norbert-Kirche wollte man damals das Mosaik-Altarbild herausreißen, das er gestaltet hatte. Das Bild sollte durch ein Glasfenster ersetzt werden, obwohl dahinter ein Haus gestanden habe. Vor zwei Jahren bekam Meinolf Splett den Kunstpreis des Landes Sachsen-Anhalt. Kurze Zeit zuvor hatte er noch bei der Restaurierung eines der schönsten Jugendstil-Giebel Halles geholfen. Er restaurierte ein Mosaik, das in einer heutzutage fast vergessenen Technik erstellt worden war und kletterte dafür noch mit 80 Jahren in schwindelnder Höhe auf Baugerüsten herum

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 23 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.06.1997

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