Unterschiedliche Motive - gleiches Ziel
Eltern in Brandenburg kämpfen für Religion als Schulfach
Lübben / Berlin (kh) -Von Brandenburgs Kirchtürmen läutet seit einer reichlichen Woche Verhandlungsbereitschaft in Richtung Landesregierung: Die katholische und die evangelische Kirche streben im Streit um das Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) eine außergerichtliche Einigung mit dem Land Brandenburg an.
Auch drei katholische Elternpaare aus Lübben, die ebenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatten, sind prinzipiell zu Verhandlungen bereit. Und sie wissen auch, welches Ergebnis sie sich wünschen: LER und konfessioneller Religionsunterricht als gleichberechtigte Wahlpflichtfächer an brandenburgischen Schulen. Allerdings müssten alle Gerichtsparteien mit der Einigung einverstanden sein, ergänzt Dr. Rainer Nominé, einer der Väter und selbst von Beruf Richter, "sonst geht es nicht".
Die Motive, warum sich die Eltern für den Religionsunterricht ihrer Kinder stark gemacht haben, waren übrigens recht unterschiedlich: Falkner Schwarz dachte vor allem an die Erfahrungen, die er als junger Katholik in der DDR gemacht hatte. "Ich habe den Wehrdienst mit der Waffe verweigert, weil ich ihn einfach nicht mit meinem Gewissen und mit den Grundwerten, die mir meine Eltern vermittelt hatten, vereinbaren konnte," berichtet er. "Das geht mir mit LER genauso." Zum Beispiel würden in LER-Büchern unterschiedliche Lebensformen wie Ehe und Familie, aber auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorgestellt. Schwarz bezweifelt, dass die Schüler dadurch "wertefrei" zu einem eigenen Urteil gelangen. Zudem möchte er nicht, dass sich seine drei Kinder wegen ihres Glaubens ausgeschlossen fühlen -so wie er früher: "Mit meinen Religionssachen wurde ich auf der Straße angesprochen und in der Klasse war ich Außenseiter, weil ich nicht zur Jugendweihe ging."
Matthias Kühne nennt ebenfalls die Benachteiligung von Christen in der DDR als Grund, warum er für den Religionsunterricht bis vors Bundesverfassungsgericht gegangen ist. Zwar machte er selbst keine negativen Erfahrungen. Doch der Lehrerssohn wusste durch seinen Vater, dass es katholische und evangelische Jungen und Mädchen in der Schule nicht immer leicht hatten. An LER stört Kühne zudem, dass Religion in diesem Fach lediglich wie ein geschichtlicher Abriss behandelt werde. Glaube sei aber mehr als intellektuelles Wissen, unterstreicht Kühne: "Das, was tiefer geht, fehlt im LER-Unterricht."
Der gebürtige Saarländer Dr. Rainer Nominé freut sich gerade über diese Vermittlung von Sinn, die er in dreizehn Jahren Religionsunterricht erfahren hat. Deshalb tritt er heute dafür ein, dass Religion auch in Brandenburg ordentliches Schulfach wird. Ansonsten, befürchtet er, könnten weitere Bundesländer, in denen es nur wenige Gläubige gibt, darüber nachdenken, den Religionsunterricht zu beschneiden. Den sieht Nominé übrigens auch für konfessionslos aufgewachsene Jungen und Mädchen als Chance zu erfahren, wie brisante Themen aus christlicher Sicht betrachtet werden. Er selbst erinnert sich zum Beispiel bis heute an das, was er als Neuntklässler über die Haltung der katholischen Kirche zur Euthanasie gelernt hat.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.10.2001