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Bistum Erfurt

Die Gesetze der Ökonomie akzeptieren

Kreuzgang-Gespräch zur Soziallehre

Erfurt - In einer Zeit, in der die soziale Dimension der Marktwirtschaft zu schwinden scheint, gilt es dennoch, deren Methoden und Gesetze zu akzeptieren. Appelle an die Wirtschaft wie "Nun seid mal sozial und entlaßt nicht so viele Leute" sind einfach zu oberflächlich und gehen an den eigentlichen Problemen vorbei

Diese Sätze stammen nicht von einem hart gesottenen Wirtschaftsliberalen, sondern von dem katholischen Wirtschafts- und Unternehmensethiker Karl Homann. Professor Homann, der den ersten deutschen Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik innehat, lehrt an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt der Katholischen Universität Eichstädt. Ende Mai sprach der Wissenschaftler im Rahmen der Erfurter Kreuzganggespräche 1997 über "Die gesellschaftliche Funktion kirchlicher Sozialverkündigung und deren Perspektiven im 21. Jahrhundert". Zu der Veranstaltung hatten das Philosophisch-Theologische Studium und das Katholische Forum Thüringen eingeladen

Menschliches Zusammenleben wird künftig noch stärker als bisher von der Ökonomie bestimmt sein, so Homann. Nur so könnten Freiheit, Demokratie und Wohlstand für möglichst viele Menschen gesichert werden. Oberstes Gesetz der Wirtschaft sei und bleibe die Rentabilität. Dabei werde ihr jedoch zunehmend bewußt - oder müsse ihr bewußt gemacht werden - daß sie mittel- und langfristig nur unter Berücksichtigung vieler Interessen in Gesellschaft und Welt die besten Ergebnisse erzielen kann, so Karl Homann

Die Wirtschaft funktioniere stets innerhalb vorgegebener Spielregeln. Diese Rahmenbedingungen gelte es so zu gestalten, daß die Unternehmen dann am rentabelsten arbeiten können, wenn sie die Interessen der Allgemeinheit zu ihren eigenen machen. Wie diese Rahmenbedingungen auszusehen hätten und welche Interessen zu berücksichtigen sind, müsse in demokratischen Entscheidungsprozessen herausgearbeitet werden. Wie diese Prozesse zu einer umfassenden Übereinkunft möglichst vieler Bürger führen können, ließ Homann allerdings recht offen

Als Beispiel für zu berücksichtigende Interessen erinnerte der Wissenschaftler an das Engagement von Bundeskanzler Helmut Kohl Mitte der 80er Jahre für die brasilianischen Regenwälder. Unternehmen, die solche Naturressourcen wie den Regenwald rücksichtslos ausbeuteten, bedrohten sich selbst und die Konsumenten ihrer Produkte und würden an gesellschaftlicher Akzeptanz verlieren. Homann nannte ein weiteres Beispiel einer weitblickenden Unternehmensphilosophie: Nur wer als Unternehmer seine Angestellten kreativ bei der Gestaltung des Arbeitsprozesses mitwirken lasse und interessiert sei, daß sie umfassend gebildet sind, könne auf Dauer Marktführer sein

Traditionelle Vorstellungen von willentlichem moralischen Handeln, wie sie aus der Bibel her kommen, paßten heute nicht mehr einfach so, sagte Homann. "Dies scheint mir der tiefere Grund dafür zu sein, daß die kirchliche Verkündigung nach Meinung vieler Menschen deren konkrete Lebenssituation nicht mehr trifft." Deshalb müsse die Theologie bestrebt sein, ihre gesamtheitliche Sicht vom Menschen in die Methodik der Ökonomie wie auch anderer Einzelwissenschaften "einzukulturieren". Hier habe auch die katholische Soziallehre ihre Aufgabe, woran bereits gearbeitet werde

Die Gesellschaft mit ihren hochspezialisierten Einzelbereichen wirkt auf den ersten Blick autonom, so Homann. Insofern scheint sie die ganzheitliche Sicht des Menschen von Theologie, Philosophie, Pädagogik nicht nötig zu haben. "Doch die moderne Welt hat ein Problem", so der Wissenschaftler, "sie operiert in Sachgesetzlichkeiten". Damit aber fehlt es ihr an Kreativität, an Aufbruchsmentalität, an innovativer Kraft, an Wagnis, an Transzendenz, wie sie Kunst und Literatur, aber auch Philosophie und Glaube hervorbringen. Genau hier ist sie auf Impulse aus ganzheitlich orientiertem Denken angewiesen. Sache von Philosophie, Theologie, Kunst müsse es sein, die großen Erfahrungen der Kulturgeschichte in die moderne Welt und ihre empirischen Wissenschaften hineinzutransformieren. Das konkrete Handeln aber müsse von den hochspezialisierten Einzelwissenschaften bestimmt werden

"Du sollst Vater und Mutter achten und ehren, damit Du lange lebst." Ist dies ein ethisches Gebot oder eine ökonomische Anweisung? fragte Homann seine Zuhörer. Seine Antwort: An dem Gebot wird deutlich, daß Ethik durchaus etwas mit Ökonomie und gute Ökonomie etwas mit Ethik zu tun hat. "Das Gebot will sagen: Wenn du nicht an die Alten denkst, dann denkst du ökonomisch falsch" - ein auch zeitgemäßer Ratschlag. E. Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 24 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.06.1997

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