Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Aus der Region

Beziehungen auf solider Grundlage

Staatskirchenvertrag für Thüringen unterzeichnet

Erfurt (ep) - Der Vatikan und der Freistaat Thüringen haben in der vergangenen Woche endlich den lange erwarteten Staatskirchenvertrag unterzeichnet. Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Giovanni Lajolo, und Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) setzten in der Erfurter Staatskanzlei ihre Unterschriften unter das Vertragswerk, das nun noch vom Thüringer Landtag ratifiziert werden muß. Mit der Unterzeichnung wurden rund sechs Jahre dauernde Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende geführt. Nach dem Freistaat Sachsen, der bereits 1996 einen Staatskirchenvertrag mit dem Vatikan unterzeichnet hatte, ist Thüringen das zweite ostdeutsche Bundesland, das auf diese Weise seine Beziehungen zur katholischen Kirche regelt, um sie "in freundschaftlichem Geist zu festigen und zu fördern", wie es in dem Vertrag heißt. Mit der Jüdischen Landesgemeinde waren bereits 1993 und mit den evangelischen Landeskirchen 1994 vergleichbare Übereinkünfte getroffen worden

Der nun mit der katholischen Kirche ausgehandelte Vertrag enthält Vereinbarungen zum Religionsunterricht, der ordentliches Lehrfach in den staatlichen Schulen ist, zur Ausbildung von Religionslehrern, zu Schulen in kirchlicher Trägerschaft und zur Erwachsenenbildung. Er regelt die Anerkennung und Förderung katholischer Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen und die Staatsleistungen an die Kirche und bezüglich der Denkmalpflege kirchlicher Bauten. Diese Leistungen belaufen sich auf rund 6 Millionen Mark im Jahr 1997 und sind künftig an die Entwicklung der Beamtenbesoldung gekoppelt. Derartige Leistungen gehen auf die Verpflichtungen des Staates seit der Säkularisation im vorigen Jahrhundert zurück

Weitere Schwerpunkte der 32 Artikel des Vertrages sind die Seelsorge in Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten und bei der Polizei. Geregelt werden außerdem die Körperschaftsrechte der Kirche, das kirchliche Eigentumsrecht, die Rechtsstellung kirchlicher Friedhöfe, die Kirchensteuer sowie das Meldewesen und die Möglichkeiten, Spenden zu sammeln. Festgeschrieben wurden zum Beispiel aber auch kirchliche Rechte, mit kirchlich verantworteten Eigensendungen und in anderen Beiträgen der elektronischen Medien als Kirche angemessen berücksichtigt zu werden. Zugleich wird an die landesrechtlichen Vorschriften erinnert, wonach alle Rundfunkveranstalter in ihren Sendungen die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten haben. Darauf wies unter anderem Nuntius Lajolo in seiner Ansprache zur Vertragsunterzeichnung hin

Keine Vereinbarung hingegen wurde über die geplante Gründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der im Aufbau befindlichen Universität Erfurt getroffen. Entsprechende Regelungen bleiben einem weiteren Vertrag vorbehalten, zu dem vermutlich bald Verhandlungen aufgenommen werden, wie der Leiter des Katholischen Büros Erfurt, Winfried Weinrich, hofft. In einem solchen Vertrag müßten unter anderem die Zahl der Lehrstühle an einer solchen Fakultät, Fragen der Berufung von Professoren, aber etwa auch Möglichkeiten der Beanstandung festgelegt werden

Daß sich die Vertragsverhandlungen über sechs Jahre hinweg erstreckten, hatte vor allem drei Ursachen, wie Ordinariatsrat Weinrich erläutert: Erstens wollte der Heilige Stuhl zunächst die Errichtungsverträge über die Diözesen Erfurt, Magdeburg und Görlitz unter Dach und Fach haben. Zum zweiten galt es zu klären, ob und wieweit Hochschulfragen - und die damit nötige Übereinkunft hinsichtlich von kirchlichem und staatlichem Hochschulrecht - in den Vertrag hineingenommen werden sollten und konnten. Drittens bereitete es den Verhandlungspartnern einige Mühe, sich über die Frage der Fortgeltung des Preußenkonkordates von 1929 und des Reichskonkordates von 1933 zu verständigen. Darauf hatte besonders der Heilige Stuhl wertgelegt. Im Ergebnis wurde nun in die Präambel des Staatskirchenvertrages folgende Formulierung aufgenommen, wie sie schon im Bistumserrichtungsvertrag steht: Der Staatskirchenvertrag wird geschlossen "unter Berücksichtigung des in Geltung stehenden Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich" von 1933 und "in Würdigung" des Preußenkonkordates. Zugleich wollen die Vertragspartner mit ihrer Übereinkunft jedoch die Rechtslage fortbilden

Nuntius und Ministerpräsident unterzeichneten den Vertrag im Beisein von Bischof Joachim Wanke, dem Dresdner Bischof Joachim Reinelt sowie dem emeritierten Domkapitular Josef Mönninger in Vertretung des Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba. Grund: Neben dem Bistum Erfurt liegen auch Teile des Bistums Dresden und der Erzdiözese Fulda im Gebiet des Freistaates Thüringen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.06.1997

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps