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Aus der Region

Präsident der DFG wirbt für Akzeptanz

Erfurter Kreuzganggespräch zur Bioethikkonvention

Erfurt - Für eine Akzeptanz der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Biomedizin hat sich der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Dr. Wolfgang Frühwald, ausgesprochen. "Wir brauchen um der menschlichen Würde und des Lebens willen internationale Konsensabkommen" zur Biomedizin, "die dann in nationales Recht umgesetzt werden", sagte Frühwald bei einem Vortrag im Rahmen der Erfurter Kreuzganggespräche

Das Ministerkommitee des Europarates hatte im November 1996 eine "Konvention über Menschenrechte und Biomedizin" beschlossen. Dabei handelt es sich aus Sicht Professor Frühwalds um "eine von verantwortungsbewußten Experten erarbeitete Schutz-Konvention gegenüber den schon heute sehr weitgehenden Möglichkeiten der Biomedizin"

Deutschland, Belgien und Polen hatten sich bei der Abstimmung zu der Konvention im November der Stimme enthalten. Deutschland begründete seine Position mit der in der Bundesrepublik noch nicht abgeschlossenen Diskussion. Bei einer vorausgegangenen Abstimmung im Juni 1996 hatte Deutschland als einziges von 32 anwesenden Staaten sogar mit "Nein" gestimmt

Eine Haltung, die für den Präsidenten der DFG nicht akzeptabel ist, wie er deutlich machte. Denn angesichts "explodierender Forschungsergebnisse" und "drohendem Mißbrauchs " der Erkenntnisse der Biomedizin könne "bei einer Güterabwägung zwischen keiner Schutzkonvention und dem vorliegenden Entwurf die Entscheidung nur für den Entwurf ausfallen". Dies gelte auch angesichts der traurigen Tatsache, daß zur Abtreibung und zu den Grenzen der Sterbehilfe auf europäischer Ebene"derzeit kein Konsens zu erwarten" sei. Akzeptiert werden müsse die Konvention außerdem deshalb, weil sich die mittel- und osteuropäischen Staaten, in denen es bisher keinerlei Regelungen zur biologischen Forschung gebe, anschickten, sich dieser Konvention anzuschließen

Vor dem Hintergrund der Diskussion um den Hirntod als Kriterium für Organtransplantationen und im Kontext der Frage, in wieweit gewisse biomedizinische Forschungen und Eingriffe nötig sind, sagte Frühwald: "Wir müssen in dem Dilemma zwischen ethischer Normsetzung und praktischer Lebensrettung bestehen, vor unserem Gewissen, vor der Gemeinschaft der Mitlebenden, vor unserem Gott.

Frühwald sieht sich in seinem Plädoyer für die Anerkennung der Bioethik-Konvention auch seitens des Vatikans bestätigt. Der Papst selbst habe im Oktober 1996 mit seiner Erklärung zur Evolutionstheorie, die mehr als nur ein Hypothese sei, eine Geste der Versöhnung und Akzeptanz gegenüber der heutigen "Leitwissenschaft der Naturwissenschaften, der Biologie" gesetzt. In dem er zugleich daran erinnerte, daß der Mensch Würde hat, weil sie ihm von seinem Schöpfer gegeben ist, entlasse er die Christen in die Spannung zwischen Wissen und Glauben. Frühwald: "Der Papst hat tatsächlich Kirche und Glauben der Spannung der Moderne geöffnet, ihr und uns zugemutet, uns dieser Moderne zu öffnen, weil er gegen ein Dogma der Industriegesellschaften dieser Erde verstößt und zugleich deren wankende Basis bloßlegt: Dieses Dogma heißt Sicherheit." Das Wort des Papstes weise darauf hin, daß ein neues Zeitalter der Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bevorstehe, in dem nur sicher sei, "daß wir auch unter den Bedingungen der explodierenden Weltbevölkerung und der wissenschaftlichen Erkenntnisse als einzelne, jeder für sich, in Gottes Hand geschrieben sind"

Dieser Position Roms entgegen stehe das fundamentale Nein vieler gerade auch katholischer Gruppierungen in Deutschland gegenüber der Bioethik-Konvention, so der DFG-Präsident. Diese hätten sich - aus Mangel an Orientierung - an Einfluß gewinnenden "Angstkartellen" angeschlossen. Unter den Christen, die die Konvention ablehnten, seien auch hochrangige kirchliche Vertreter. Not tue hier sachgerechte Information und Aufklärung. Christen seien für bioethische wie auch wirtschaftsethische Debatten längst nicht genug gerüstet. Wegen der neu aufgebrochenen Spannungen im Glauben gelte es aber für Christen, sich nicht nur im Bereich der Sozialethik, sondern auch in der Bio- und in der Wirtschaftsethik der Auseinandersetzung zu stellen. Frühwald regte eine dem Sozialwort der Kirchen an Umfang und Ausführlichkeit vergleichbare Handreichung zur Thematik der Biomedizin an

Der Präsident der DFG sprach Ende Mai im Rahmen der neu ins Leben gerufenen Erfurter Kreuzganggespräche. Mit diesem Angebot wollen das Philosophisch-Theologische Studium Erfurt und das Katholische Forum in Thüringen zum Dialog über gesellschaftlich relevante Probleme beitragen. Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.06.1997

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