Bürokratische Hürden erschweren Erfolg
Fünf Jahre Schulen in freier Trägerschaft
Dresden (fun) - Fünf Jahre gibt es sie nun im Freistaat Sachsen: Schulen in freier Trägerschaft. Am 11. Juni sollte nun in der Turnhalle des Dresdner "St. Benno Gymnasiums" Bilanz gezogen werden
Unter dem Motto: "Freie Schulen in freier Gesellschaft" rekapitulierte ein prominentes Podiumsteilnehmer die Entwicklung dieser Schulen nach Verabschiedung des Gesetzes am 4. Februar 1992
Dr. Fritz Hähle, Vorsitzender der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag, lobte die hervorragende Bilanz: "Derzeit gehen in Sachsen knapp drei Prozent der Schüler in eine Schule in freier Trägerschaft." Im Vergleich dazu liege der Schüleranteil in den alten Bundesländern bei fünf bis sechs Prozent und da gebe es die Schulen schon seit 50 Jahren
Andreas Runck, Vertreter des Sächsischen Kultusministeriums, unterstrich diese Aussage: "Derzeit hat Sachsen eine Spitzen-Position. In keinem anderen ostdeutschen Bundesland gehen so viele Schüler in Schulen in freier Trägerschaft." Und ein weiterer Anstieg sowie der Ausbau dieser Spitzenposition sei zu erwarten
Doch es gab nicht nur Lobeshymnen: So wurden auch einige Stimmen laut, die eine freiere Entwicklung und Entfaltung dieser Schulen forderten: "Zur Zeit gibt es 23 Schulinitiativen. Die Regierung sollte diesen mehr Raum geben und ihnen mehr zutrauen. Denn solche Schulen ergänzen und bereichern", so Dr. Konrad Schneider, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Schulen in freier Trägerschaft
Auch Elke Urban von der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Schulen sah dies als Kritikpunkt: "So verschieden die Menschen sind, so verschieden muß auch die Antwort der Schulen sein", forderte sie. "Es kann nicht sein, daß Schwierigkeiten - vor allem bürokratische Hürden - bei Genehmigungsverfahren eine Gründung von freien Schulen verhindern, obwohl sie dringend errichtet werden sollten.
Unter heftige Kritik kam die Wartefrist von zwei Jahren bei Schulneugründungen, während der sich die Schulen selbst finanzieren müßten. Selbst bewährte Träger, wie das Bistum Dresden-Meißen seien davon betroffen. Wie der Schuldezernent des Bistums, Wilfried Lenssen, beklagte, hat das Bistum für die vor zwei Jahren gegründete Schule in Leipzig bisher "noch keinen Pfennig vom Staat gesehen"
Gunther Hatzsch, Bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion setzte dem noch einen drauf: "Freie Schulen sind errichtet worden, damit unsere Kinder nicht normiert werden." Die staatliche Normungs-Pädagogik sei ja in den Ländern unterschiedlich hoch; in Sachsen aber ganz besonders
Auch zu dem weitverbreiteten Vorwurf: Schulen in freier Trägerschaft seien Eliteschulen nahmen die Podiumsteilnehmer Stellung. "Wir wehren uns vehement gegen diesen Begriff: Eliteschule. Wenn es jedoch dabei bleiben soll, dann bin ich gegen eine finanzielle Elite - gegen ein geistige habe ich nichts - die brauchen wir nämlich dringend; sehen wir uns nur unsere Politiker an", sagte Elke Urban
Dennoch sei der sogenannte Verdrängungswettbewerb, bei dem sich Schulen mit Qualität durchsetzen werden, nicht von der Hand zu weisen - so die Meinung von Dr. Fritz Hähle
Als es zu den finanziellen Fragen, speziell zum Schulgeld kam, entbrannte die Diskussion zu einer heftigen Debatte. So beklagte Dr. Konrad Schneider, selbst Vater von schulpflichtigen Kindern, daß ein Schulgeld in der derzeitigen Höhe von 94 Mark pro Monat und Kind nicht unbedingt als sozial verträglich gelten sollte. "Das Schulgeld sollte nicht auf Schüler sondern auf die Familie berechnet werden", war sein Vorschlag, der großen Beifall von Seiten der Zuhörer erntete
Thomas Colditz, Bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, warf dem Sächsischen Kultusministerium Defizite bei der Umsetzung in der Verteilung der staatlichen Fördergelder an die freien Schulen vor
Bei der anschließenden Diskussion mit dem Publikum, zu der sich vor allem Vertreter der freien Schulen zu Wort meldeten, wurden jedoch nicht nur die finanziellen Streitpunkte - in denen es im Endeffekt keinen Konsens gab - angesprochen. Vor allem die Chancengleichheit von Waldorf- und Körperbehindertenschulen wurde gefordert
Der Bedarf und auch das Engagement von Lehrern und Eltern ist vorhanden. Deshalb sollten diesen Initiativen oder Projekten im Entstehen nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt werden, so die Forderung der Vertreter dieser Schulen. "Und daß auf jeden Fall Interesse und Engagement da ist, zeigt auch die Turnhalle, die bis zum letzten Platz besetzt ist", bemerkt Dr. Fritz Hähle
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.06.1997