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Bistum Dresden-Meißen

Wer hilft Bosniern überleben?

Pax Christi fordert private Initiativen

Dresden (fun) - Aus Angst, gewaltsam abgeschoben zu werden, entschließen sich immer mehr Bosnier zu einer "freiwilligen Rückkehr", obwohl die meisten von ihnen nicht wissen, ob sie ein Dach über dem Kopf finden und wovon sie leben werden. - Dies geht aus dem jüngsten Bericht der katholischen Friedensbewegung Pax Christi / Dresden hervor

Ursula Mai von Pax Christi / Dresden war vor drei Wochen selbst in Bosnien. In den Regionen Sanski Most und Bihac bestätigte ihr die aktuelle Situation, daß im Föderationsgebiet noch die Voraussetzungen fehlen, eine große Zahl von Flüchtlingen zurückzuführen

"Damit bewiesen sich die Aussagen des Deutschen Caritasverbandes ohne Ausnahme", meint Ursula Mai. In dessen Bericht vom 12. Mai hieß es: "Im Föderationsgebiet fehlen derzeit noch elementare Voraussetzungen für die Aufnahme einer großen Zahl von Rückkehrern. Solange die intern Vertriebenen nicht in ihre Heimatorte zurückkehren können, ist jegliche unter Druck stattfindende Rückführung unverantwortlich. Jede massenhafte Rückkehr - ob freiwillig oder gezwungen würde den labilen Frieden gefährden und zu gesellschaftlichen Spannungen führen.

"Ich habe gesehen, daß Menschen auf engstem Raum miteinander leben müssen, beispielsweise in Sanski Most-Podlug. Dort werden in fremden - serbischen - Häusern die ehemaligen Bewohner der Stadt Bosanski Novi im jetzigen Srpska untergebracht. Nur wenige Kilometer entfernt liegt ihre Heimatstadt, in die sie nicht zurück dürfen. In ihren Häusern wohnen jetzt Serben", erzählt Ursula Mai

Sie fragt sich besorgt, was geschehen wird, wenn immer mehr Menschen hinzukommen; neue "gesellschaftliche Spannungen, Gefährdungen des labilen Friedens", wie der Deutsche Caritasverband befürchtet. Gleichzeitig weist Ursula Mai darauf hin, daß sie in all den Jahren ihrer Kontakte so gut wie nie Haß- und Racheäußerungen aus dem Munde der vielen ihr bekannten moslemischen Flüchtlinge gehört hat

Die Hoffnung auf eine wesentliche Veränderung der Rückführungspraxis durch entsprechende Beschlüsse der letzten Innenministerkonferenz hat sich leider nur zum Teil erfüllt: "Abschiebungen der aus der Republika Srpska stammenden Flüchtlinge sind im Grundsatz als nachrangig anzusehen" - dies ist die entscheidende Aussage. "Viele Ängste bleiben also", so Ursula Mai. "Flüchtlinge, die aus dem Gebiet der Föderation kommen, werden auch aus Sachsen weiterhin per Polizei abgeschoben, wenn sie nicht freiwillig gehen" - auch wenn sie keine Adresse im Föderationsgebiet haben, sei dieser Tage aus dem Sächsischen Innenministerium zu hören gewesen

Zur Zeit sind noch zirca 80 Prozent der Menschen in Bosnien arbeitslos. 80 bis 90 Prozent sind auf humanitäre Hilfe, auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen, da es keine Sozial- und Arbeitslosenhilfe gibt

"Es ist weiterhin dringend notwendig, daß Hilfe durch Einzelne und durch Initiativen die sehr langsam anlaufenden offiziellen Hilfs- und Wiederaufbau-Maßnahmen ergänzt. "Finanzielle Hilfe von Familie zu Familie" heißt diese persönliche Aktion, mit der deutsche Familien eine namentlich bekannte Familie in Bosnien unterstützen können. Durch die Kooperation mit Pax Christi in Zenica/ Bosnien und der dortigen Caritas können Spenden persönlich übergeben werden

Wer konkreten Menschen in Bosnien helfen möchte, kann sich zwecks näherer Informationen an Ursula Mai, Pax Christi / Flüchtlingskontakte in 01067 Dresden, Am See 15/74, Telefon 0351/ 4 95 35 65 wenden

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.06.1997

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