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Bistum Magdeburg

Leben mit Behinderten

"Woche für das Leben" in Raguhn

Raguhn - Als die Glocken der katholischen St. Michaelskirche in Raguhn am Sonntag des 8. Juni zum zweitenmal zum Gottesdienst riefen, horchte mancher Bewohner der kleinen Stadt auf. Eingeläutet wurde der ökumenische Gottesdienst zum Abschluß der "Woche für das Leben"

Christen beider Konfessionen versammelten sich, um das Anliegen dieser Woche ("Jedes Kind ist liebenswert - Leben annehmen statt auswählen") vor Gott zu tragen und über mögliche Hilfen nachzudenken. "Die Kirchen haben einen Auftrag von Gott, sich um Benachteiligte, Leistungsschwache und Kranke zu sorgen und für ihre Rechte in einer Leistungsgesellschaft einzutreten. Betroffen von dieser Sorge ist auch das ungeborene Leben, gesund oder mit einer künftigen Behinderung", sagte Gemeindereferentin Dorothea Hille in ihren Begrüßungsworten

Ein fröhliches Fest auf dem Gelände der Grundschule mit 500 Gästen begann um 14 Uhr. Unter anderem gab es handgefertigte Artikel aus Behindertenwerkstätten und aus den beiden Raguhner Kirchengemeinden zu kaufen

Eine Fußballmannschaft der Caritas-Behindertenwohnstätte Burgkemnitz trat gegen eine Raguhner Mannschaft im Fußball an. Und das war dann die Besonderheit des Spiels: Beide Mannschaften erhielten bei der Siegerehrung einen Pokal. Der Erlös des Festes, das zahlreiche Helfer und Sponsoren ermöglichten - rund 600 Mark - soll dem Burgkemnitzer Caritasheim zugutekommen

Wichtig waren an dem Nachmittag aber auch die vielen Begegnungen und Gespräche. Während die Kinder sich draußen vergnügten, nahmen etliche Erwachsene an einem Vortrag in der Schulaula teil. Gemeinsam mit dem Referenten Dr. Otto und mit dem evangelischen Pfarrer Theodor Hering dachten sie über das Thema "Heute noch ein Kind?" nach und diskutierten darüber. So manche Unsicherheit und verborgene Not wurde da angesprochen. "Hier ist etwas in Bewegung geraten, was nicht wieder einschlafen darf.

Bereits am Montag hatten die beiden Raguhner Kirchen zu einer ersten Gesprächsrunde über das Thema der Woche für das Leben eingeladen. Behinderte Kinder und Jugendliche und deren Eltern fühlen sich oft benachteiligt und unverstanden, kam dabei heraus

Aus den Worten der Pflegemutter eines epileptischen Jungen klang Resignation und Verbitterung. "Durch das Leiden des Kindes sind viele Kontakte und Beziehungen zerbrochen. An eine Urlaubsreise kann ich nicht denken", sagte sie

Die Teilnehmer der Veranstaltung zeigten Betroffenheit. Die anwesenden Pädagogen wiesen darauf hin, daß im Umgang mit Behinderten Unkenntnis vorherrscht. Oftmals erwachse daraus Berührungsangst. Mit Mitleid und Bedauern könne man behinderten Menschen jedoch nicht helfen

Sie wollten als vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Jede Aus- und Absonderung sei schädlich. Man müsse die Fähigkeiten der Behinderten und sie fördern, damit Selbstbewußtsein wachsen könne. Sonderschulpädagogen leisteten diesbezüglich großartige Arbeit, die aber nach Verlassen der Schule oft wieder zerschlagen werde. Eltern stünden oftmals in einer ausweglosen Situation und bräuchten Unterstützung, Hilfe und Verständnis

"Wie frei ist der Mensch?" hieß das Thema eines Vortrages, den der Kirchenpräsident der Anhaltischen Landeskirche, Helge Klassohn, am Freitag abend hielt. Er sprach unter anderem über gesetzliche Regelungen der Gentechnik. D. Hille / tdh

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.06.1997

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