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Bistum Görlitz

Die Welt mit den Augen Jesu sehen

Kinderwallfahrt

Wittichenau / Rosenthal (dw) - "Ich sehe was, was du nicht siehst" - Der Name eines alten Ratespiels für Kinder war Motto der diesjährigen Kinderwallfahrt des Bistums Görlitz. Mit einem Ratespiel fing die Wallfahrt am Freitagabend in Wittichenau dann auch an. Auf Bildern hatten die Kindergruppen vorher ihren Heimatort gemalt, um sich einander vorzustellen. Ein Fenster und eine Baumgruppe waren auf dem Bild der Finsterwälder zu sehen, ein Senfglas und ein Hügel zierte das Plakat der Senftenberger

Daß es eigentlich aber um mehr ging als um ein Spiel, erfuhren rund 500 Jungen und Mädchen beim Wallfahrtsgottesdienst am Samstag in der Wallfahrtskirche Rosenthal. Der Görlitzer Bischof Rudolf Müller schlug den Kindern in seiner Predigt über den Evangelientext von der Heilung des Blindgeborenen vor, die Welt mit den Augen Jesu Christi anzusehen. Jesus werfe einen besonderen Blick auf die Schöpfung, auf die Menschen, und auf die Sorgen und Probleme jedes Einzelnen. Mit anschaulichen Beispielen verdeutlichte der Bischof, wie das im täglichen Leben aussehen könne

Er habe einmal beobachtet, wie eine blinde Frau aus der Straßenbahn ausstieg und sich mit ihrem Blindenstock zum nächsten Papierkorb vortastete, um dort ihren Fahrschein wegzuwerfen, erzählte Bischof Müller. Auf diese Weise habe sie dazu beigetragen, daß die Schöpfung so schön bleibe, wie Gott sie geschaffen habe. Ein neunjähriger Junge in seinem Bekanntenkreis wollte während des Jugoslawienkrieges unbedingt einmal seinen Vater begleiten, der schon mehrfach Hilfstransporte nach Bosnien gefahren hatte. Nachdem sein Vater es verboten hatte, versteckte sich der Junge im Lastwagen und wurde erst spät bemerkt. "Was ich dort gesehen habe, werde ich nie in meinem Leben vergessen", sagte der Junge nach der Rückkehr

Seine Augen hätten sich für die Sorgen anderer Menschen geöffnet, kommentierte der Bischof. Großen Eindruck machte auf die Kinder die blinde Mutter einer Wallfahrerin. Sie las die Lesung in Blindenschrift vor. Jedes Kind hatte vorher ein Blatt Papier mit einem Blindenschrift-Text in die Hand bekommen. Aufmerksamkeit mit allen Sinnen war auch im Anschluß an den Wallfahrtsgottesdienst gefragt. Auf der Kirchwiese hatten die Kinder zum Beispiel Gelegenheit, mit geschlossenen Augen barfuß über einen Weg mit Sand, Steinen, Tannenzapfen und Gras zu gehen. An einem anderen Stand konnten sie ein Schnurtelefon basteln. Traditionsgemäß legten die Kinder während der Wallfahrt einen zwölf Kilometer langen Weg von Wittichenau nach Rosenthal zurück. Den Rückweg konnten sie in Pferdewagen zurücklegen. Wittichenauer Familien stellten wie in den Jahren zuvor Privatquartiere zur Verfügung. Mit dem Wallfahrtsopfer wollten sich die Kinder bei den Gastgebern bedanken: Es kommt einer sanierungsbedürftigen alten Schule zugute, die für Kinderfreizeitgestaltung genutzt wird

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.06.1997

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