Ein Fest wollte man nicht feiern
Bergmannstag in Bischofferode
Bischofferode (sei) - Einige Schwierigkeiten hat man in den ehemaligen nordthüringer Kali-Bergbaurevieren noch immer mit dem ehemaligen "Tag des Bergmanns" am ersten Juliwochenende. Aus Niedergeschlagenheit über das abrupte Ende des Bergbaus wurde zunächst aus dem "Bergmannsfest" ein "Sommerfest". Seit zwei, drei Jahren aber wächst wieder der Stolz auf den Bergmannsberuf - auch wenn man ihn nicht mehr ausüben kann - und aus dem Sommerfest wurde wieder das Bergmannsfest mit fröhlichem Markttreiben und kulturellen Veranstaltungen - so in Bleichrode, Sollstedt und Sondershausen
Im Bischofferode dagegen sind Betroffenheit und Ärger über die Dialektik, mit der die Landesregierung nicht eingehaltene Versprechen in "Verpflichtungen, die mehr als erfüllt wurden" ummünzt, noch zu groß, als daß man ein Bergmanns"fest" feiern möchte. Man beging am 6. Juli einen Bergmanns"tag" als Abschluß einer Dorffestwoche und stellte dabei das Gedenken an die 74 tödlich verunglückten Bergleute während der 84 Jahre des Kalibergbaus in Bischofferode in den Mittelpunkt
Dechant Lothar Klapproth nannte in seiner Predigt während des Gedenkgottesdienstes in der "Ersatzkirche" (die Bischofferöder Kirche wird zur Zeit umfassend restauriert) den Bergbau eine "Chance für die Bürger der Region, die unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen von ihnen leider nicht mehr genutzt werden konnte". Am Ende des Gottesdienstes senkte sich die Fahne des Bergmannsvereins vor dem Altar zum Trompetensolo vom "guten Kameraden". Anschließend wurden am Gedenkstein für die tödlich verunglückten Bergleute - dem Werk gegenüber - unter den Klängen des Chorals "Harre meine Seele" ein Kranz niedergelegt
Im Gebäude der ehemaligen Poliklinik wurde dann die erste Stufe des Bergwerksmuseums der Öffentlichkeit übergeben. Naturgemäß dominieren darin die Ereignisse der letzten Jahre. Unter einem Transparent, unter dem sie schon am Weihnachtsabend 1992 während einer ersten großen Protestkundgebung -zwischen Weihnachtsbäumen, die mit schwarzen Schleifen "geschmückt" waren - gemeinsam für die Interessen und Rechte der Bergleute eingetreten waren, trafen sich auch der Landrat des Eichsfeldkreises, Dr. Werner Henning (CDU), und Dechant Klapproth wieder, um Gedanken zur heutigen Situation auszutauschen
Nur etwa 70 Dauerarbeitsplätze (für damals 700 Kalibergleute) sind geschaffen worden. Die zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnisse, in denen jetzt noch 159 Bergleute beschäftigt sind, laufen zum Jahresende endgültig aus, wobei sich die Landesregierung auf die "vom Bund veränderten erschwerten Zugangsbedingungen zum zweiten Arbeitsmarkt" beruft
Am 24. Juni hatte der evangelischen Landesbischof der Kirchenprovinz Sachsen, Christoph Demke, unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus dem Amt die Bischofferöder Bergleute noch einmal besucht und dabei festgestellt, daß die Region Bischofferode "eine gewisse Disposition zum Vergessenwerden" habe. An solche Tendenzen, bei denen man "offenbar auf den Zeitfaktor setzt", dürfe man sich jedoch keinesfalls gewöhnen
Bischofferode war 1993 in den Schlagzeilen, als die Kumpel mit einem Hungerstreik gegen die Schließung ihres Werkes protestierten. Dabei fanden sie auch die Unterstützung beider Kirchen
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.07.1997