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Bistum Magdeburg

Eine offene Schule

Einweihung des neuen Elisabeth-Gymnasiums Halle

Halle (dw) - Das bischöfliche Elisabeth-Gymnasium in Halle will eine "offene" Schule sein. Die Architektur des Neubaus, den der Magdeburger Bischof Leo Nowak am 5. Juli eingeweiht hat, strahlt Offenheit aus. Beim Betreten des Schulgebäudes im Stadtteil Silberhöhe wird der Blick zum Himmel gelenkt, viel Licht durchdringt die Klassenräume und Flure

"Offenheit" ist ein Anspruch, dem die 1991 gegründete Schule in mehrfacher Hinsicht gerecht werden will: Sie hat sich - ebenso wie die anderen beiden katholischen Gymnasien im Bistum Magdeburg - von Anfang an auch für Nicht-Katholiken und Nicht-Christen geöffnet. Die Schulräume des rundum rollstuhlgerechten Neubaus, insbesondere die Dreifachturnhalle, sollen nach Schulschluß den Bürgern des kulturell wenig entwickelten Stadtteils Silberhöhe für Freizeit- und Vereinssport, Laientheater und andere Aktivitäten offenstehen

Zur Offenheit für die Ängste und Fragen von Schülern rief der Magdeburger Ordinariatsrat Theodor Steinhoff die erwachsenen Zuhörer seines Festvortrages auf. Eine neue Zeit verlange nach neuen Werten. Schüler seien dafür sensibel. Erwachsene dürften sie mit ihren Fragen und Ängsten, die in Randalen und in Symbolen an den Wänden zum Ausdruck kämen, nicht allein lassen. Probleme würden nicht gelöst, indem man junge Leute in "Unterhaltungsschuppen" abschiebe und dort alleinlasse

Steinhoff, der im Magdeburger Ordinariat die Schulabteilung leitet, wünscht sich die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden als gegenseitiges Geben und Nehmen. Er sei sich bewußt, daß man sich dabei auf ein Risiko einlasse, vergleichbar einem Floß auf hoher See. Den jungen Frauen und Männern des dritten Abiturjahrgangs am Elisabeth-Gymnasium, die im Anschluß an die Schul-Einweihung ihre Abschlußzeugnisse entgegennahmen, legte Rat Steinhoff das Symbol des Floßes in besonderer Weise ans Herz: Anders als auf einem schwerfällig im Wasser dahintreibenden Schiffskoloß sei das Leben auf einem Floß mit Spannung verbunden und bewahre vor "erhabener Verlangweilung, die das Staunen unmöglich macht.

Aus der Vogelperspektive ist das neue Gymnasium als Alpha und Omega zu erkennen, Symbol für die angestrebte ganzheitliche Erziehung und Bildung. Ein Garten der Sinne, ein computergestütztes Sprachlabor und viele andere bauliche Details sollen dieses Bildungsziel unterstützen. Die Entwürfe für den 35 Millionen Mark teuren Neubau stammen von Wilfried Ziegemeier, dem Architekten der traditionsreichen Franckeschen Stiftungen. Bis April hatte der Unterricht für die 550 Elisabeth-Schüler in Räumen der Franckeschen Stiftungen stattgefunden

Dokumentiert

Auszug aus dem Festvortrag des Magdeburger Ordinariatsrates Theodor Steinhoff zur Einweihung des neuen Elisabeth-Gymnasiums in Halle

Die schülerfreundliche Gesellschaft, alle reden mit Recht davon. Manchmal habe ich den Eindruck, die Schule wird in der Öffentlichkeit zu Tode experimentiert. Ist alles Neue schon deswegen gut, weil es neu ist? Und wo bleiben bei allen Experimenten die Schüler auf der Strecke

Ich möchte es ausdrücklich als positiv vermerken, daß die freien Schulträger ihre Gymnasien ab Klasse fünf beginnen können und hoffe, daß es um des Schulkonzepts willen und aus schülerfreundlichen Gründen auch in Zukunft so bleibt. Eine schülerfreundliche Gesellschaft muß selbstverständlich auch um die Qualität des Unterrichts besorgt sein. Lassen Sie mich bitte deswegen sagen dürfen, daß sich die Qualität der Bildung aber nicht nur nach der Zahl der abzuleistenden Stunden berechnen läßt

Wenn ich bei unserem Nachdenken von einer schülerfreundlichen Gesellschaft spreche, bin ich mir natürlich bewußt, daß es sich dabei um eine politische Frage handelt. Zweierlei möchte ich in den Blick nehmen: sicher leuchtet es zunächst ein, daß eine schülerfreundliche Gesellschaft um einer guten Zukunft willen investieren muß. Darauf wird von allen gesellschaftlichen Gruppen und auch der Wirtschaft mit überzeugenden Argumenten hingewiesen. Ich will hier nicht die Argumente wiederholen; aber ich will sie ausdrücklich bestätigen: wer an dieser Stelle spart, verspielt die Zukunft. Aber da ist noch ein anderes wichtig: daß eine Gesellschaft nämlich zu Recht Ergebnisse und Früchte ihrer Investitionen erwarten darf. Lassen Sie mich fragen: welche Ergebnisse sollen das denn sein im Sinne einer schülerfreundlichen Gesellschaft? Wollen wir zum Beispiel ,angepaßte' junge Menschen, die in die schon ,vorgenormten Betten' unserer Erwachsenen-Welt und unserer Erwachsenen-Ängste hineingezwängt werden? Die Anfrage an den Sinn und den Wert unserer Bildungssysteme muß gestattet sein. Und es ist ein großer Segen für ein Land, wenn auf die Eckpunkte einer schülerfreundlichen Bildung - das ist schülerfreundliche Gesellschaft konkret - ohne ideologische Brille geblickt werden kann

Wenn Bildung im Sinne unseres förderativen Systems Ländersache ist, dann sollten wir uns in Sachsen-Anhalt diesen Luxus leisten. (Luxus ist eine vom Üblichen und Gebotenen abweichende Haltung, die eine üppige Fruchtbarkeit erwarten läßt.) Darum ist es eine todernste Frage, wie man mit dem Geld umgeht, und in welchen öffentlichen und kommunalen Bereichen in Zukunft ,Sterbehilfe' geleistet wird und in welchen Bereichen wir - auch unter Opfern - Investitionen gewähren

In unserem Schulgesetz stecken z. B. eine Menge Werte: sie machen einen menschenfreundlichen und darum einen schülerfreundlichen Sinn. Ich erinnere mich an eine Diskussion in einem Kollegium: Mit Religion und Ethik komme man heute nicht weiter, damit seien die Schüler eher wettbewerbsbenachteiligt. Und was es denn bringe, das ,Gerede von Freiheit und Menschenwürde'? Aber, so frage ich, will denn diese Gesellschaft ihre heranwachsende Generation von den Spielregeln einer erbarmungslosen Marktwirtschaft bestimmt sein lassen? - und wenn sie - die Wirtschaft - dazu auch noch einen perspektivlosen Eindruck macht? Da können junge Menschen nur noch aggressiv werden: denn sie müssen mit einer Zukunft leben, in der Arbeit knapp wird und in der darum Werte wie Wohlstand, Sicherheit, der Umgang mit den Ressourcen, Freiheit und Verantwortung neu und deutlicher durchbuchstabiert werden müssen. Angesichts einer zunehmenden ,Verknappung' in fast allen Lebensbereichen darf eine schülerfreundliche Gesellschaft die Jungen und Mädchen nicht allein lassen - sie haben es schwerer als ihre Väter und Mütter

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 28 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.07.1997

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