Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Magdeburg

Von Kirche und Kultur begeistert

Missio-Gewinnerin in Ghana

Bad Dürrenberg (sh / tdh) - Gemeinsam mit Timo Herbert aus Fulda, Lydia Barts aus Belgien und sechs anderen Mädchen verbrachte die 18jährige Marika Winny aus Bad Dürrenberg kürzlich zehn Tage in Ghana. Bei der Jugendaktion des katholischen Hilfswerks Missio hatte sie eine Begegnungsreise nach Afrika gewonnen

Von Süden bis Norden durchreisten die Jugendlichen gemeinsam mit einer Ordensschwester das Land, unterhielten sich mit katholischen Gemeinden über das kirchliche Leben in Afrika, feierten, kochten und aßen mit den Afrikanern und nahmen an ihren Gottesdiensten teil

"Irre", der 15jährige Timo Herbert lacht ausgelassen. "Das ist ja ´ne richtige Party hier!" Seine Knie wippen im Rhythmus. "Glory Glory Halleluja..." singt die Gemeinde aus vollem Herzen. Timo kommt es plötzlich vor, als würde die schlichte Kirche selber lebendig. Als würde ihr Herz im Takt schlagen und die Mauern vor Freude beben

Einen Gottesdienst wie diesen in der ghanaischen Gemeinde "Holy Cross" hat Timo noch nicht erlebt. Dabei geht der Gymnasiast aus der Nähe von Fulda mit seinen Eltern in die Messe, solange er denken kann. Aber das hier ist etwas besonderes. Eine Hand streckt sich Timo einladend entgegen. Klatschend reiht sich der Junge unter die afrikanischen Christen, die vor dem Altar im Kreis tanzen - Seite an Seite mit Marika, mit Patricia aus Ulm und mit Michael Baba, dem Gebetsleiter der ghanaischen Gemeinde

Michael ist einfach mitreißend. Vor allem, wenn der Katechist von Gott erzählt. Das gelang ihm allerdings nicht immer so ausgelassen und problemlos wie heute. Als Michael Baba in Timos und Marikas Alter war, hatte er jede Menge Ärger. Vor allem mit seinem Vater. Anfangs freute der sich noch, daß sein Sohn eine christliche Schule besuchen konnte. Doch je geschickter sein Junge die Buchstaben aneinander reihte, desto mehr faszinierte ihn sein Lehrbuch: Die Bibel. "Plötzlich fühlte ich mich gut aufgehoben", erinnert sich Michael heute. "Ich begriff, daß jeder einzelne von uns Menschen einen unschätzbaren Wert hat. Und daß wir uns im Gebet direkt an Gott wenden können.

Seinem Vater machte dieser Gedanke Angst. Hatte er Michael doch von Kindesbeinen an beigebracht, mit Rücksicht auf die Vorfahren zu leben. Auf die Ahnen, die in traditionellen Religionen "Vermittler" zwischen Gott und der Gemeinde darstellen. Wenn sein Sohn so redete, würde er den Zorn der Geister auf die ganze Familie ziehen

"Das Zusammenleben war in der Zeit ganz schön schwierig." Michael runzelt die Stirn. "Meine Eltern wollten nichts mehr von mir wissen." Die Situation entspannte sich erst kurz vor dem Tod seines gelähmten Vaters, als Michael ihn pflegte. "Es gab einen Moment, da spürte ich, daß mein Vater sich mit meinem Glauben versöhnt." Schon vorher trug Michael sein Holzkreuz auf der Brust mit voller Überzeugung, doch jetzt ist er ruhiger dabei

Auch Timos steter Begleiter ist ein Holzkreuz am Lederband. Der Schüler will Missionar werden. "Es ist gut, den Menschen von Gott zu erzählen", sagt Timo ganz selbstverständlich. "Und was ich hier in Afrika echt klasse finde", holt er aus, "ist das mit der Inkulturation - oder wie das heißt. Also, wie sich das Christentum mit den Traditionen verbindet.

Seite an Seite sitzen Timo und Michael im Schatten der Kirche. Auf den Knien halten sie Teller mit Foufou. Beherzt formt Timo mit den Fingern der rechten Hand Klößchen aus der weißen Masse und steckt sie in den Mund. "Nicht schlecht", nickt er. Foufou ist ein traditionelles Gericht in Ghana. Für Michael ist es das tägliche Brot. Der Katechist sitzt nach Gottesdiensten oft mit anderen Dorfbewohnern zusammen. Dann teilen sie Essen und Gedanken

"Manchmal stoßen wir dabei an unsere Grenzen", erklärt er. "Etwa wenn es um die Opfer-Riten im Dorf geht." Im traditionellen Glauben der Dagomba steht hinter menschlichem Leid meistens ein "Schuldiger", der von den anderen zur Rechenschaft gezogen werden muß. Die kürzlich ausgebrochene Meningitis-Epidemie etwa haben sieben Frauen mit dem Leben bezahlt: Die vermeintlichen "Hexen" wurden von ihren Nachbarn gesteinigt. "Ich wünsche mir", so Michael, "daß mehr Menschen ihre Ängste vor den Geistern verlieren. Daß sie erfahren, wie Glaube befreit.

Lediglich 0,2 Prozent der Dagomba bekennen sich zum Christentum. Aber wenn Michael von Gott erzählt, versammeln sich mit den Christen auch Angehörige traditioneller Religionen und Muslime. "Letztendlich haben doch alle Menschen die gleichen Hoffnungen und Sehnsüchte.

Auch die Neigung, "Sündenböcke zu suchen: Rothaarige Frauen mußten in der europäischen Geschichte schon bitter leiden, ebenso wie Juden. Lydia Barts, 15, aus dem belgischen Kettenis erinnert sich an ihren Besuch mit der Schule im KZ. "Schrecklich, was Menschen anderen antun können." "Jeder muß bei sich selber anfangen", sagt Michael Baba. "Wer täglich sein Verhalten als Christ prüft", gibt er Timo, Lydia, Marika und den anderen Jugendlichen mit auf den Heimweg, "verändert die Welt.

Die evangelische Abiturientin Marika ist sich sicher, daß der Kontakt zu den neuen Freunden in Afrika nicht abreißen wird. Sie hält engen Briefkontakt zu einer jungen Ghanesin und hat sich fest vorgenommen: "Irgendwann möchte ich da auf jeden Fall noch einmal hin!"

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 30 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.07.1997

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps