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Wo Generationen ihren Glauben lebten

Die Rundkapellen in Knautnaundorf und Groitzsch

Wohl kaum einer, der heute die Kreuzung bei Knautnaundorf, südlich von Leipzig gelegen, befährt, nimmt von der kleinen Dorfkirche des Ortes Notiz. Dabei war sie vor Jahrhunderten Teil eines befestigten Hofes, der eben diese Kreuzung kontrollieren sollte. Wiprecht von Groitzsch - im 12. Jahrhundert Herr des Gebietes - baute um 1090 den sogenannten Neuhof an die Kreuzung, die damals Merseburg mit Zwenkau und Leipzig verband

Die Knautnaundorfer romanische Dorfkirche gilt heute als der älteste Sakralbau Westsachsens, wenn nicht gar des ganzen Freistaates. Und, so sagt Dr. Lothar Vosberg, der evangelische Pfarrer, nicht ohne Stolz, sie ist noch heute für den Zweck bestimmt, für den sie einst gebaut wurde: für das Lob Gottes. Doch nicht nur das Alter sondern auch die Bauform ist eine Besonderheit. Denn Rundkapellen gibt es sonst in Sachsen nirgendwo, außer eben in Knautnaun-dorf und in Groitzsch auf der Wiprechtsburg. Letztere ist allerdings nur als Ruine erhalten. Wie sie aber einst ausgesehen haben könnte, dies ist in Knautnaundorf zu sehen. Der kleine runde Gottesdienstraum strahlt Ruhe und Konzentration aus und verzichtet dabei auf jeden Prunk

Pfarrer Vosberg berichtet, daß die romanische Rundkapelle bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in ihrer Form als Kirche für die um den Neuhof gewachsene Siedlung diente. Durch einen vergrößernden Anbau wurde sie schließlich in ihrer Eigenheit zerstört. Ein Teil wurde herausgebrochen und die Kirche einfach verlängert. Erst nach 1971, nachdem der Blitz in die Kirche eingeschlagen hatte, meinten die Denkmalpfleger, jetzt sei die Stunde gekommen, die Rundkapelle in ihrer alten Form wiederherzustellen. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, erst 1992 konnte, nach dem die Gemeinde die Initiative ergriffen hatte, die Einweihung gefeiert werden. Besonders dankbar ist Pfarrer Vosberg dem ortsansässigen Zimmermann. Ihm ist es zu verdanken, daß die Empore wieder in alter romanischer Schönheit erstrahlt. Was allerdings nicht so einfach war, die Treppe mußte der Rundung angepaßt werden und der dicke Querbalken, der die Empore trägt, stammt aus Bayern. Es mußte extra eine Kiefer gesucht werden, die so dick war, daß der Balken aus ihr entstehen konnte. "Unsere Empore steht noch, wenn wir alle nicht mehr sein werden", so unterstreicht Lothar Vosberg die Standfestigkeit des Bauwerkes. Und der Vergleich hält beim Betrachten der 900 Jahre stand, in denen Generationen von Menschen durch diese Kapelle gegangen sind. In heutiger Rechnung rund 30

Die zweite sächsische Rundkapelle steht etwas außerhalb der Stadt Groitzsch oberhalb der alten Straße in Richtung Pegau. Einst befand sich hier die Wiprechtsburg, von der heute nur noch die ausgegrabene Kapelle zeugt

Der Stil der Rundkapellen, so meinen die Forscher, geht auf die Heirat Wiprechts mit der böhmischen Königstochter Judith zurück. In Böhmen waren diese Kapellen weit verbreitet. Wiprecht war zu seiner Zeit als grausamer Herrscher berüchtigt, der ohne Reue andere von ihren Höfen vertrieb, nur um seine Macht zu festigen

Als Sühne für zahlreiche Mordtaten wurde er vom Papst schließlich zu einer Wallfahrt nach Santiago de Compostela aufgefordert. Der dortige Patriarch wiederum forderte den Bau eines Jakobsklosters als sichtbare Buße. Als Standort wählte Wiprecht seine Stadt Pegau. Im vergangenen Jahr feierte der Ort den 900. Weihetag dieses Klosters, von dem heute kein Stein mehr auf dem anderen steht. Nur noch sein Kenotaph - sein Erinnerungs-Grabmal - aus dem Kloster einst in die Stadtkirche St. Laurentius gebracht, erinnert an Wiprecht, der 1124 im St. Jakobs-Kloster Pegau starb. Auch politisch konnte Wiprecht nichts Dauerhaftes bewegen, die Wettiner setzten sich unter Konrad im heutigen sächsischen Raum durch

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 30 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.07.1997

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