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Bistum Dresden-Meißen

Dienst in zwei Diaspora-Diözesen

Zum 125. Geburtstag von Bischof Christian Schreiber

Am 3. August jährte sich zum 125. Mal der Geburtstag von Bischof Christian Schreiber, einem Mann, der in der Aufbruchphase nach 1918 zu den führenden Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus gehörte. Der gebürtige Hesse stand neun Jahre an der Spitze des 1921 wiedererrichteten Bistums Meißen. 1930 wurde ihm die Leitung der neuen Diözese Berlin übertragen. In beiden - von der Diaspora geprägten - Bistümern bemühte er sich mit großem Eifer um den Aufbau von Verwaltungsstrukturen - und gleichzeitig um die Verlebendigung der Seelsorge

Christian Schreiber wurde am 3. August 1872 in Somborn in Hessen-Nassau als Sohn eines Schreinermeisters geboren. Nach dem Besuch des Gymna-siums trat er 1892 in das Fuldaer Priesterseminar ein. Noch im gleichen Jahr ging er zum Studium nach Rom, wo er in das "Collegium Germanicum" aufgenommen wurde. Am 28. Oktober 1898 empfing er die Priesterweihe. Ein Jahr darauf kehrte er als Doktor der Theologie und der Philosophie nach Deutschland zurück. Er wurde zum Professor am Fuldaer Priesterseminar ernannt und später zum Subregens. 1907 übernahm er die Leitung des Seminars

Papst Benedikt XV. (1914 - 1922) ernannte Christian Schreiber am 12. August l921 zum Bischof des einige Wochen zuvor wiedererrichteten Bistums Meißen. Am 14. September 1921 wurde er in Fulda zum Bischof geweiht. Vier Tage später zog er in den Bautzener Petridom ein, wo seine feierliche Inthronisation erfolgte

Den Gläubigen seiner Diözese stellte sich der Bischof auf dem Dritten Sächsischen Katholikentag vor, der in Bautzen abgehalten wurde. Dort hielt er am 25. September 1921 eine programmatische Rede. Er betonte, er sei nach Sachsen gekommen, um hier "als katholischer Bischof und deutscher Mann" zu arbeiten. Diese Äußerung löste bei den katholischen Sorben heftige Erregung aus. Es zeichnete sich schon ein Konflikt ab, der später eskalieren sollte

Das Bistum, das Dr. Schreiber übertragen worden war, erstrecktle sich über ganz Sachsen und das westliche Thüringen. Vor der Wiedererrichtung der Diözese Meißen bestanden hier zwei ganz unterschiedliche kirchliche Jurisdiktionsbezirke: das Apostolische Vikariat der sächsischen Erblande mit dem Sitz Dresden und die Apostolische Administratur der Lausitz mit dem Sitz Bautzen. In dem weiträumigen Gebiet lebten nur 180 000 Katholiken, das waren weniger als vier Prozent der Gesamtbevölkerung

Zwecks Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Sachsen berief der Bischof eine Diözesansynode ein. Diese fand in der Zeit vom 24. bis 26. Juli 1923 im Kloster St. Marienstern statt und erließ 23 Dekrete. In Anlehnung an die mittelalterlichen Strukturen wurde das Bistum Meißen in 14 Amtsbezirke eingeteilt: in zwölf Archipresbyterate (Erzpriestersprengel) und zwei dem Bischof unmittelbar unterstellte Städte (Bautzen und Meißen). Für die sorbischen Katholiken bedeutete dies, daß ihre Gemeinden auf drei Bezirke verteilt wurden: auf die Sprengel Kamenz und Löbau sowie das bischöfliche Gebiet von Bautzen. Da man lieber ein einheitliches sorbisches Archipresbyterat gesehen hätte, kam es später zu Protesten

Noch weitaus heftigere Kritik lösten jedoch zwei Referate aus, die kurz vor Ende der Synode verlesen wurden. Beide Vorträge enthielten scharfe Angriffe gegen die sorbische Presse, auch gegen das Kirchenblatt "Katolski Posol". Geistiger Urheber dieser Attacken war der böhmische Ordensmann Joseph Watzl (1877-1936), ein Priester, der maßgeblich die Wiederherstellung des Bistums Meißen vorbereitet hatte. Dem sorbenfeindlich gesinnten Pater war es gelungen, zum engsten Berater von Bischof Schreiber aufzusteigen. Erst nach seiner Versetzung in das mährische Kloster Zwittau begann sich das Verhältnis zwischen dem Bischof und den Gläubigen in der Lausitz zu entspannen

Während der Amtszeit von Christian Schreiber erhöhte sich die Zahl der Seelsorgestellen im Bistum Meißen von 65 auf 90, die Zahl der Geistlichen stieg von 126 auf 152. Für die Priesterausbildung stand ab 1927 ein Seminar in Schmochtitz bei Bautzen zur Verfügung. Gegen den Widerstand des Evangelischen Bundes gelang es außerdem, in Sachsen eine Reihe von Ordensniederlassungen zu errichten. So kamen unter anderem Jesuiten, Oblaten und Dominikaner in das Bistum. In Goppeln bei Dresden entstand ab 1925 das Mutterhaus der "Nazarethschwestern vom heiligen Franziskus". Bei dieser Gemeinschaft handelte es sich um die erste diözesane Frauenkongregation, die nach der Reformation in Sachsen ins Leben gerufen wurde. Es ist bis in die Gegenwart die einzige Neugründung geblieben, und noch heute erinnert im Hof des Goppelner Klosters ein Gedenkkreuz an den "Gründervater", den Bischof Schreiber

Um finanzielle Mittel für sein armes Bistum zu beschaffen, unternahm der Meißener Oberhirte 1927 eine "Bettelreise" in die USA. Bereits im Jahr zuvor hatte die Diözese in den Niederlanden eine Anleihe in Höhe von 300 000 Gulden aufgenommen. Die Rückzahlung dieser Anleihe sollte später dem Bischof Petrus Legge (1882-1951) zum Verhängnis werden. 1935 inszenierte das nationalsozialistische Regime gegen ihn einen Schauprozeß wegen "Devisenschieberei"

Nach dem Abschluß eines Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Preußen wurde Bischof Schreiber eine neue Aufgabe übertragen. Papst Pius XI. (1922-1939) ernannte ihn am 13. August 1930 zum ersten Oberhirten des neuerrichteten Bistums Berlin. Hier erwarteten ihn ähnliche Aufgaben wie in Sachsen, ging es doch ebenfalls um den Neuaufbau von Diözesanstrukturen. Trotz seiner zunehmend schwächer werdenden Gesundheit gelang es ihm, innerhalb von drei Jahren 20 neue Seelsorgestellen einzurichten. Er gründete 1932 in Berlin-Hermsdorf ein Priesterseminar und ließ die Berliner St.-Hedwigs-Kirche zu einer repräsentativen Kathedrale umgestalten

Bischof Schreiber verstarb am 1. September 1933 an den Folgen eines Herzleidens. In Anwesenheit von acht Bischöfen und 200 Priestern wurde er am 6. September 1933 in Berlin beigesetzt. Sein Grab befindet sich in der Krypta der St.-Hedwigs-Kathedrale. Peter Bien

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.08.1997

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