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Bistum Erfurt

Gotteshaus mit ungewisser Zukunft

Peterskirche Erfurt

Gesamtansicht "Die Peterskirche ist ein Paradebeispiel, wie preußische Militärs einen bereits zerstörten Bau weiter zerstört haben", sagt der Erfurter Hauptkonservator a.D. Gerhard Kaiser. "Übriggeblieben von der 850 Jahre alten Basilika ist nur ein Torso, und die Frage ist, ob man das Bauwerk heute so akzeptieren kann." Der erst kürzlich pensionierte Restaurationsfachmann vom Thüringer Landesamt für Denkmalpflege hat sich in den letzten Jahren viel mit der Kirche auf dem Erfurter Petersberg auseinandergesetzt. Gerhard Kaiser ist es eigentlich leid, noch einem Journalisten die ganze Problematik auseinander legen zu sollen. Zuviel ist schon gesagt und geschrieben worden und vergleichsweise zuwenig passiert. Doch die Kirche liegt ihm viel zu sehr am Herzen..

Der Zustand der Kirche auf dem Petersberg nahe dem Erfurter Domberg ist tatsächlich wenig einladend. Zwar wurde nach der Wende das Dach der einstigen Basilika neu gedeckt, Ziegelsteine am Südgiebel des Querhauses verputzt und auch Proben einer Sandstein-Sanierung vorgenommen. Zudem wird die Kirche nicht mehr als Lagerraum wie noch in DDR-Zeiten, sondern zu Ausstellungszwecken genutzt. Doch die zentralen Fragen sind geblieben: Was soll mit dem Gebäude, das eher wie eine Scheune aussieht, überhaupt werden

Fenster vorher

Mit der Aufhebung des Klosters 1803 begann der Niedergang des romanischen Gotteshauses. Nachdem die Kirche bei der Beschießung der auf dem Petersberg errichteten Festung 1813 durch die Franzosen ausgebrannt war, bauten sie die Preußen 1819/20 zu einem Magazin für das Militär um. Mittels massiven Balkenkonstruktionen wurde in die Kirchenmauern hinein ein vierstöckiges Lagerhaus eingebaut. Dabei wurden romanische Mauerabschnitte und der obere Teil der Säulen rückgebaut. Um in die einzelnen Etagen Licht hineinzubekommen, wurden kurzerhand zusätzliche Fenster aus dem alten Mauerwerk herausgebrochen. An der Ost- und Westfront wurden mit Ziegeln Giebel hochgezogen und ein Spitzdach aufgesetzt. Viele kostbare romanische Steinmetzarbeiten wurden bei diesem Umbau rücksichtslos vernichtet

Eine der zentralen Fragen für die Denkmalschützer heute lautet: Sollte man den jetzigen Zustand der einstigen Kirche und des späteren Lagergebäudes als überkommenes Baudenkmal konservieren und sichern, also auch den von den Preußen der Kirche beim Umbau zum Lagerhaus angetanen Vandalismus? Gerhard Kaiser ist anderer Meinung. "Der in seiner ganzen Häßlichkeit überkommene Zustand der Kirche ist für mich kein gültiger historischer Zustand, den ich hochschätzen und konservieren könnte", so der Hauptkonservator a. D. "Es muß - wenn auch zurückhaltend - helfend eingegriffen werden.

Genau dieses ist probeweise an einem Abschnitt der Südwand der Kirche geschehen: Eines der Fenster hat wieder seine romanische originale Einfassung erhalten. Sie war ehemals von den Preußen herausgebrochen worden, um die Fensteröffnung zu vergrößern. Ein darunter im Erdgeschoß liegendes Magazinfenster, das von den Preußen angelegt wurde, ist inzwischen wieder mit Sandstein verschlossen. Außerdem wurde das untere Wandgesims ergänzt, so daß in dem Probeabschnitt auch die ursprünglichen Formen und Linien der Architektur wiederhergestellt sind und zugleich etwas gegen eindringendes Regenwasser getan wurde. Für Gerhard Kaiser steht fest, daß der gesamte Kirchentorso weitgehend auf ähnliche Weise saniert werden müßte. Und dies nicht nur aus ästhetischen Gründen. Wenn der Innenraum wieder umfassend genutzt werden soll, müssen solide Fenster in das Gebäude und sonstige Öffnungen wetterfest verschlossen werden

Gerhard Kaiser und seine Kollegen hatten eine Idee: Sie wollen 1998 die "Vereinigung der Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland" zu ihrer Jahrestagung nach Erfurt in die Peterskirche holen. Damit sind zwei Ziele verbunden: Bis zu diesem Zeitpunkt könnte das Gebäude soweit hergerichtet sein, daß eine solche Tagung möglich ist und die Kirche darüber hinaus künftig auch für andere Veranstaltungen nutzbar wäre. Zugleich könnte den Denkmalpflege-Fachleuten das Problem Peterskirche vor Ort vorgeführt, mit ihnen erörtert und dadurch stärker publik gemacht werden. Als Bedingung dafür müßte in der Kirche ein akzeptabler Tagungsraum geschaffen werden, in dem im Mittelschiff die Decke der Lageretage im ersten Stock herausgenommen würde. Kaiser: "Dies könnte ein erster Schritt eines vorsichtigen Rückbaus der Lagerhauseinrichtung sein.

Kirche innen Zur Zeit wird im Erdgeschoß der Kirche, die seit eineinhalb Jahren zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gehört, die Dauer-Ausstellung "Forum konkrete Kunst" gezeigt. In der zweiten Etage ist eine Darstellung über die Geschichte des Petersberges, des Klosters und der Basilika zu sehen (Eintritt frei, geöffnet mittwochs bis sonntags 10 bis 18 Uhr). Sie könnte nach den Plänen Kaisers aus dem Mittelschiff in die Seitenschiffe oder in den Chorbereich im ersten Obergeschoß kommen, wenn das Mittelschiff zu einem Mehrzweck-saal umgebaut würde. Neben der Sanierung von Mauerwerk, Fenstern, aber auch Treppen und Fußböden der Kirche müßten auf dem Petersberg vor allem entsprechende sanitäre Voraussetzungen für eine Nutzung der Peterskirche geschaffen werden

Gerhard Kaiser hält die anvisierten Maßnahmen bis zur Tagung 1998 für ein ohnehin erforderliches "Minimalprogramm", für deren Verwirklichung zirka 250 000 bis 500 000 Mark erforderlich seien. Bisher allerdings steht die Finanzierung in den Sternen: Gelder beantragt wurden beim Bundesministerium des Innern aus dem Fonds zur Erhaltung und zum Wiederaufbau national bedeutender Kulturdenkmäler. Außerdem könnten von der Stadt Erfurt Finanzen kommen, die im Zusammenhang mit den Vorhaben "Kulturstadt Weimar 1999" Mittel für die Festung Petersberg beantragt hat. Doch bisher ist alles offen. Und die Zeit verrinnt - zum Schaden der einstigen Basilika.

E. Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.08.1997

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