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Aus der Region

Dorfkirche nach dem Vorbild von Sankt Peter

Am Wegesrand

Schwenda - "In meinen Augen ist die Geschichte glaubwürdig", sagt Kirchenführerin Adelheid Stingl. "Wie sonst sollte so ein seltenes Bauwerk in unser abseitsgelegenes Harzdorf Schwenda gekommen sein? Und den Eselstreiberweg gibt es schließlich auch noch immer!

Gerade hat Adelheid Stingl vier interessierten Besuchern die achteckige Kirche von Schwenda gezeigt und den Gästen dabei folgende Geschichte erzählt: Im 16. Jahrhundert hatten in den Bergen des Stolberger Gebietes viele Italiener Bergbau betrieben. Manche von ihnen wohnten in Schwenda. Auch ein Graf Brilliperi, der von den Funden der "Stolberger Diamanten" gehört hatte, machte sich auf den Weg in die Region. Unterwegs jedoch überraschte ihn auf dem "Eselstreiberweg" ein Gewitter. Vom Blitz getroffen fanden er und seine Frau den Tod. Doch ihr kleines Töchterchen Mathilde blieb am Leben. Es wurde, so die Geschichte weiter, vom Pastor von Schwenda aufgenommen und großgezogen

Zwölf Jahre später hätten zwei Vettern aus Rom das Mädchen aus dem Harz zurück in die Heimat gebracht. Nach 63 Jahren habe Mathilde Brilliperi ein Vermächtnis hinterlassen, wonach in Schwenda als Dank für die einstmalige Hilfe eine Kirche nach dem Muster der Peterskirche in Rom errichtet werden sollte. Ihre Enkel brachten das Geld persönlich nach Schwenda. So wurde 1736 nach dem Vorbild der Peterskirche in Rom und nach den Plänen des Erbauers der Frauenkirche, George Bähr, mit der Errichtung der Rundkirche von Schwenda begonnen

Bis heute kann der Besucher die achteckige St.-Cyriakus- und St.-Nikolai-Kirche mit ihrer Kuppel, die von einem kleinen Turm mit Laterne und Haube bekrönt ist, bewundern. Sie wurde von 1736 bis 1738 vom Stolberger Baumeister Johann Friedrich Penther errichtet. Acht Säulen tragen das schöne Kuppelgewölbe. Im Mittelpunkt der Kirche steht ein hölzerner Kanzelaltar aus dem Jahr 1695, ihm gegenüber auf der Westseite ist auf der ersten Empore (seit 1866) eine Orgel eingebaut, die aus Frankenhausen stammt. Das Kirchenschiff sowie die doppelstöckigen Emporen, die rund um den gesamten Kirchenraum laufen, sind mit Kirchenbänken ausgestattet

Im Zentrum des Kuppelgewölbes schaut dem Betrachter ein dreieckiges Gottesauge entgegen. Dieses Auge ist von Bildern der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes und darunter von den Erzengeln Gabriel, Michael, Raphael und Uriel umgeben. Gemalt hat diese Darstellungen wie auch die Zeichen der vier Jahreszeiten und die alten Monatszeichen, die ebenfalls in dem Kuppelgewölbe zu sehen sind, 1938 der Hallesche Kirchenmaler Karl Völkel. Damals fand unter seiner Leitung eine große Restauration des Kircheninnenraumes statt, bei der zum Beispiel der Altar seine ursprünglichen schönen Farben zurückerhielt

Auch zu DDR-Zeiten wurde manches an der Kirche gemacht. Da es stets an Material mangelte, habe die evangelische Partnergemeinde in Löhnberg an der Lahn zum Beispiel die Kupfernägel für die Dachreparatur besorgt, erinnert sich Adelheid Stingl, die über viele Jahre Kirchenälteste in Schwenda war. Nach der Wende, 1991, wurde dann das Gewölbe mit Mitteln "aus dem großen Topf" restauriert, erzählt Frau Stingl, nach dem guten Zustand des kleinen Gotteshauses befragt. Zuvor sei das Dach repariert worden. Und auch die Fenstergauben wurden erneuert sowie die Außenfassaden saniert. Gestühl und Treppenaufgänge haben Kräfte der Gemeinde im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aufgefrischt

Ein bißchen stolz ist Frau Stingl darüber, daß nach der Wende auch ein Läutewerk in die Kirche kam. So läuten die drei Glocken nicht nur zu Gottesdiensten, sondern täglich um 18.00 Uhr auch den Feierabend ein, erzählt sie. Alle 14 Tage findet in Schwenda ein evangelischer Gottesdienst statt, alle vier Wochen eine Eucharistiefeier. Doch angesichts kleiner Zahlen finden die Gottesdienste meistens in einer Kapelle im benachbarten Gemeindehaus statt. Katholischerseits wird Schwenda von der Pfarrei Harzgerode, evangelischerseits von Straßberg her seelsorglich betreut. "Zu Weihnachten und zu Erntedank ist die Kirche richtig voll", sagt Adelheid Stingl. Und wenn ein Paar im Winterhalbjahr ausdrücklich seine Goldene Hochzeit in der Kirche feiern möchte, werden auch mal die etwas überproportioniert wirkenden Öfen hinter dem Altar mit Holz und Kohlen angeheizt

Fast täglich kommen Leute, die sich die Kirche anschauen möchten, sagt Frau Stingl. Sie habe schon Gäste bis aus Schweden, Norwegen und Dänemark begrüßt. Und dies mit Freude. Denn die von ihr im Alter übernommene Aufgabe ist ihr inzwischen "zur Berufung geworden", wie sie sagt. Vom 5. bis 7. September soll Kirmes in Schwenda sein. Aus diesem Anlaß ist am 6. September um 15.00 Uhr in der Kirche ein Chorkonzert geplant. Bis dahin sollen auch die Straßenarbeiten rund um die kleine Kirche fertig sein. Eckhard Poh

Schwenda ist zu erreichen über die Bundesstraße B 242 bis Güntersberge oder Harzgerode, von dort Richtung Stolberg, dann unterhalb des Auerberges / Josephskreuzes (Parkplatz) nach Schwenda. Ebenso von Nordhausen, Berga/Kelbra oder Sangerhausen her (B 80) zum Auerberg bei Stolberg. Wer die Kapelle in Schwenda von innen besichtigen möchte, wendet sich an Adelheid Stingl, 06547 Schwenda, Hintergasse Nr. 37 (50 Meter von der Kirche entfernt), Tel. 03 46 58 / 2 15 65

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 24.08.1997

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