Eine Möglichkeit, Zeugnis zu geben
Überlegungen zum Jahr 2000
Mancher Mensch wird schon heute ziemlich nervös, wenn er "(Heiliges) Jahr 2000" hört: der eine, weil ihm dieser Slogan schon "über" ist und ihm dieses Datum wenig interessiert, und der andere, weil ihm die Frage quält, ob wir als Christen nicht diesen wichtigen Zeitpunkt verschlafen und den Sekten, Psychokulten, esoterischen und anderen Bewegungen freien Raum geben werden, die Menschen zu verführen. Denn auch sie knüpfen bei der unstillbaren Sehnsucht eines Menschen nach Leben, Geborgenheit und Liebe an. Mittlerweile bietet der religiöse Markt für jeden Geschmack Entsprechendes an. Nur: ist dies das Richtige, das Wahre, das Gute, das den Menschen ernstnimmt und ihm weiterhilft
Wir haben heutzutage vielfache Möglichkeiten, Zeugnis von unserem christlichen Glauben zu geben; unsere Lebenswelt ist schließlich der Raum, in dem wir unseren Glauben verwirklichen: Glauben und Leben gehören zusammen. Manchmal gewinnt man allerdings den Eindruck - mitunter sogar aus den Reaktionen unserer Mitmenschen -, daß wir nur ungenügend für den Verkündigungsdienst vorbereitet sind. Denn es gibt Begegnungen, bei denen wir jedem Rede und Antwort stehen sollen, der uns nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (1 Petr 3,15). Erschreckt stellen einige dann fest, wie sehr ihr Glaube "verdunstet" ist und wie sprachlos sie sind, über ihren Glauben zu reden. Es fehlt die Übung. Obwohl viele Tabus in unserer öffentlichen Diskussion gebrochen sind, hindert uns ein "Schamgefühl", selbst im engsten Familien- und Freundeskreis bzw. in den Gruppen unserer Pfarrgemeinden miteinander über die Erfahrungen mit unserem Glauben ins Gespräch zu kommen. Manchen lähmt auch die Angst, ob er alles zum Thema weiß und dann richtig über den Glauben spricht. Eine derartige Scham und diese Angst sind keine Begleiter für den Glaubensweg der Christen, der auch zu den Menschen führen soll, die noch nicht einmal eine Ahnung von Gott haben, vielleicht aber in sich eine unverschüttbare Sehnsucht spüren - eine Sehnsucht, welche Namen sie ihr auch immer gegeben haben. Sie kann der Beginn sein, um miteinander in Kontakt zu kommen. Natürlich ist gerade in diesem sensiblen Bereich Einfühlungsvermögen vonnöten. Oder: Interessant war auch in diesem Jahr wieder, wieviel außerkirchliche Gruppierungen und Initiativen sich bei der Gestaltung der "Woche für das Leben" beteiligt haben. Oder: Wir freuen uns, daß die 1. Sächsische Landesausstellung 1998 in Panschwitz-Kuckau stattfinden wird und das Zisterzienserinnenkloster in dieser Zeit sein 750jähriges Bestehen feiert. Besucher sollen sich über die Themen wie Mittelalter, Klöster, Kirchenmusik, sakrale Kunst, Tradition, ländliches Leben informieren können; sie haben aber gleichzeitig auch die Möglichkeit, christliches Leben kennenzulernen
Denn es besteht eine Offenheit des Menschen für religiöse Anliegen. Wenn er spürt, daß die Botschaft Jesu Christi für ihn eine echte Lebenshilfe ist, wächst auch das Interesse am Glauben. Deshalb brauchen wir Mut und Phantasie, uns in die Gesellschaft mit unseren christlichen Beiträgen einzumischen. Unsere Mitmenschen haben ein Recht darauf. Wir haben den Auftrag, vielleicht sogar die innere Überzeugung gewonnen (vgl. 1 Kor 2,1-3,3), zu allen Menschen zu gehen und ihnen das Evangelium zu verkünden (Mt 28,16-20)
Wir sind für diesen missionarischen Dienst nur geeignet, wenn wir die Einladung des Herrn annehmen, mit ihm zu leben und von ihm zu lernen. Damit sind die Eckpfeiler unserer zukunftsorientierten Pastoral markiert: den Glauben an den dreifaltigen Gott, als den Gott des Lebens, der Liebe, der Freiheit, zu vertiefen und unsere Mitmenschen zu ihrer wahren Berufung zu begleiten
Es ist sicher für uns ermutigend, wenn wir uns darüber austauschen: Wie können wir unseren Glauben stärken und unser Glaubensgewissen erweitern? Welche Wege und Initiativen gibt es, unsere Mitmenschen mit unserem Glauben in Verbindung zu bringen? Diözesane Veranstaltungen werden diesem Anliegen Rechnung tragen. Sie können aber auch Ihre Erfahrungen schreiben an: Bistum Dresden-Meißen, Bischöfliches Ordinariat - Erwachsenenseelsorge, Postfach 530152, 01291 Dresde
Lothar Vierhock
Leiter der Pastoral im Bistum Dresden-Meißen
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 24.08.1997