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Auf zwei Minuten

Erwachsene Kinder Gottes

von Pater Damian

Pater Damian Meyer Viele Eltern tun sich schwer, sich von ihren heranwachsenden Kindern so zu lösen, dass diese einen Freiraum für ihre weitere Entwicklung, für eigene Erfahrungen, für Selbstständigkeit und Reife erhalten. In der unvermeidlichen Spannung zwischen Bewahrung und Bewährung fesseln sie die Kinder zu stark an sich selbst, an ihre eigenen Meinungen und Erfahrungen, ja auch an ihre Vorurteile.
Was Ulrich Schaffer im Folgenden über das Loslassen sagt, gilt nicht nur für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, sondern für jede Beziehung unter Menschen: "Dich so loszulassen / dass du die Fehler machen kannst / die du machen willst / dass du mich ablehnen kannst / dass du neue Werte finden kannst / dass du deine Meinung ändern kannst / wenn ich dich gerade verstanden habe / dass du dir zuviel Sorgen machen kannst / dass du dir nicht genug Sorgen machen kannst / dich so loszulassen / das muss ich lernen // ich muss dich ziehen lassen / in ein unbehütetes Leben / in ein einsames Leben / in dein Leben / getragen von deinen Entscheidungen / denn ich kann nicht dein Vormund sein / ich kann nicht über dich bestimmen / auch nicht in Kleinigkeiten / ich muss lernen dich loszulassen / so einfach / und doch so schwer."
Geht nicht Gott als guter Pädagoge auch so mit uns Menschen um? Er hat uns mit Verstand und freiem Willen ausgestattet, wir können uns entwickeln, Erfahrungen und Fehler machen, unser eigenes Leben leben, Gott annehmen oder ablehnen. Was mir an dem schönen Gleichnis vom verlorenen Sohn immer wieder auffällt: Der Vater (der im Gleichnis für Gott als Vater steht) teilt dem jüngeren Sohn ohne weiteres sein Erbteil zu und lässt ihn aus dem behüteten Elternhaus in die Welt ziehen. Er hält ihn nicht mit Gewalt zurück, macht ihm keine Vorhaltungen. Und der junge Mann macht seine guten und schlimmen Erfahrungen und kehrt als gereifter Mensch zum Vater zurück.

Nun hat uns Jesus aber die Kinder als Vorbild vor Augen gestellt: "Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte" (Mt 18,34). Es wäre missverständlich, das als Aufforderung zu einem nicht eigenverantwortlichen, unreifen Verhältnis zu verstehen. Es geht um die Haltung des erwachsenen Menschen vor dem Vatergott: Die Haltung des Vertrauens, der Dankbarkeit, die das Leben als von Gott geschenktes annimmt; die Haltung der Offenheit und der Lernbereitschaft, der Demut. Um als erwachsener Mensch so vor Gott zu werden, bedarf es der Umkehr. Paulus fordert die Korinther auf: "Seid doch nicht Kinder an Einsicht, Brüder! Seid Unmündige an Bosheit, an Einsicht aber seid reife Menschen!"(1 Kor 14,20).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.10.2001

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