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Aus der Region

Wenn Kaplan Tschöpe erzählt ...

Wallfahrt zum Klüschen Hagis

Greiz - Klüschen Hagis ist ein kleines Kirchlein im Eichsfeld - und Zielort einer alljährlichen Fußwallfahrt schon seit 1982. Ihren Ursprung hat diese Wallfahrt eigentlich der ehemaligen Militärführung in Polen zu verdanken

Als diese 1981 das Kriegsrecht in Polen ausrief und die Teilnahme an der bei einigen Ostdeutschen beliebten Wallfahrt nach Czestochowa/ Tschenstochau nicht mehr möglich war, sprachen einige Jugendliche mit dem damaligen Schweriner Bischof Heinrich Theißing darüber. Geboren wurde der Gedanke, in "einer Wallfahrt unseren Dienst an Frieden und Versöhnung durch ein christliches Zeichen zu leben." Seither sammeln sich alljährlich am 4. August in Magdeburg die Pilger. In diesem Jahr begaben sie sich zum 16. Mal auf den 250 km langen Fußmarsch. Über 80 Wallfahrer gingen dabei in zwei getrennten Gruppen

Seit 1984 ist - zur Zeit Kaplan in Greiz - Klaus-Michael Tschöpe mit dabei. In jenem Jahr hat ihm "die mangelnde Akzeptanz der erfahrenen Wallfahrer den neuen gegenüber" nicht gefallen. "Ich wollte dies bei meiner 2. Wallfahrt ein Jahr später anders machen und auch die neuen mit einbeziehen." Seit 1987 war er für eine Gruppe der "Streckenmeister", doch seit seiner Priesterweihe 1991 ist er als geistlicher Begleiter dabei

Seit einigen Jahren steigt die Teilnehmerzahl wieder. Dieses Jahr haben sich 82 Personen angemeldet. "Erstwallfahrer gelten genauso viel wie derjenige, der schon zum 12. Mal dabei ist", betonte Kaplan Tschöpe. Es gibt Wallfahrtsregeln für alle, welche im ersten Augenblick sehr hart klingen. Doch selbst für außenstehende klingt es plausibel, wenn sich jeder nach seinen "Fähigkeiten und Voraussetzungen entsprechend, an den Aufgaben der Wallfahrtsgruppe (z.B. Musizieren, Sanitätsdienst, Brote schmieren, Besendienst)" beteiligt. "Es entsteht Freude, obwohl auf vieles verzichtet wird, was im sonstigen Leben so unerläßlich scheint. Sei es Unterhaltung durch Radio und Femsehen; seien es Genußmittel wie Alkohol, Nikotin oder Süßigkeiten.

Auf dem Pilgerweg übernachten sie in Pfarräumen, Klöstern und selbst in Kirchen. Ihr Tag wird eingerahmt vom kirchlichen Stundengebet. Gegen 5.30 Uhr stehen sie jeden Tag auf. Eine halbe Stunde später beginnt der Tag mit den Laudes. Bis hierhin wird geschwiegen, weil "das erste Wort des Tages Gott gehören sollte". Nach dem Frühstück wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert. Gegen 9 Uhr ist dann Aufbruch. Schon 20 Minuten später ist die erste Rast geplant. Dabei wird das Tagesthema erläutert. Eine Schweigezeit während des Laufens hilft ihnen zur Meditation. Manch einer lauscht dabei dem Wind oder dem Zwitschern der Vögel. "Der Rosenkranz und das Christusgebet - gebetet in der Gruppe oder auch zu zweit oder zu viert - wird von vielen neu entdeckt", wie Kaplan Tschöpe feststellte

Gegen 12 Uhr wird der "Engel des Herrn" gebetet. Anschließend folgt eine einfache, aber ausreichende Mahlzeit. Bei einer solchen Wallfahrt schmecke das Brot viel intensiver. Es ist ein einfaches Leben mit Büchsenwurst, Brot, Tee und Apfel. Doch auch Geschenke gibt es immer mal wieder. So geschehen bekamen die Pilger bei einer Mittagsrast Äpfel geschenkt. Manchmal finden sie auch Blaubeeren oder Brombeeren

Nach der ausgiebigen Mittagsrast geht es weiter. Nachmittags folgt ein Schriftgespräch zu einem Absatz der Heiligen Schrift. Gegen 18 Uhr wird das Vesper- Gebet, meist in einer Unterwegskirche, gebetet. "Zwischen 19 und 20 Uhr kommen wir meist in unserem Zielort an." Nach dem Abendbrot folgt noch die Komplet. Danach gehen alle schweigend ins Bett

Ein besonderer Tag ist der "KZ- Dora- Tag". "Schweigend und betend ziehen wir durch das ehemalige Konzentrationslager Dora bei Nordhausen. Wir gedenken nicht nur der Opfer ungerechter Gewalt damals, sondern denken auch an Menschen, die heutzutage in ähnlicher Weise leiden müssen oder getötet werden. Schließlich wollen wir nicht verurteilen, denn wir können uns eingestehen: Ich bin auch nicht frei von Schuld", erklärt Kaplan Tschöpe

Auch auf anderen Kontinenten hat es sich schon herumgesprochen, daß es in der ehemaligen DDR so einen intensiven Wallfahrtsweg gibt. Eine Wallfahrerin von weither ist Hella de Paz aus Guatemala. Seit 1990 ist sie regelmäßig mit dabei. "Wenn der Sommer kommt, freue ich mich, nach einem Jahr alte Bekannte zu treffen." Am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, wird dann ein Abschlußgottesdienst in der Kapelle Klüschen Hagis gefeiert und alle verabschieden sich - "Vielleicht bis zum nächsten Jahr.

Thomas Particke

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 35 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.08.1997

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