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Bistum Erfurt

Zuhören ist gefragt

Ökumenischer Krankenhaus-Besuchsdienst in Meiningen

Meiningen (ep) - "Schön, daß Sie zu mir kommen!" Wenn Ursula Tschauder und Ingrid Reich so begrüßt oder verabschiedet werden, sind sie selbst dankbar und zufrieden. Wie noch weitere sechs evangelische und katholische Frauen besuchen sie ehrenamtlich Patienten im neuen Klinikum von Meiningen. Ursula Tschauder zum Beispiel geht regelmäßig Mittwoch vormittags auf die Herzstation. Den Zeitpunkt hat sie mit der Stationsleitung so vereinbart. Ingrid Reich besucht nachmittags Patienten der orthopädischen Abteilung

"Wenn ich mich in einem Krankenzimmer als Mitarbeiterin des Besuchsdienstes vorstelle, stoße ich bei den meisten Patienten auf freundliche Offenheit", sagt Frau Reich, die beruflich als Steuerbevollmächtigte tätig ist. Auch wenn es mit manchem der Kranken am Anfang nicht so leicht sei, in Kontakt zu treten, seien doch 90 Prozent der Patientinnnen und Patienten grundsätzlich für den Besuchsdienst dankbar, schätzt sie. "Mit manchem dauert es halt etwas länger, ins Gespräch zu kommen. Andere hingegen erzählen einem bald ihre ganze Lebensgeschichte." Am besten sei ein ganz natürlicher Kontakt zu den Leuten, meint die Mutter von drei fast erwachsenen Kindern. Frau Reich: "Die Patienten können ruhig merken, daß wir auch ganz normale Menschen sind. Für den Besuchsdienst muß man vor allem Zeit mitbringen und Zuhören können." Frau Tschauder bestätigt diese Erfahrung

Die Mitarbeiterinnen des Besuchsdienstes übernehmen aber auch kleine Dienste für die Kranken. Frau Tschauder: "Manchmal bittet jemand darum, ihm etwas vozulesen. Patienten, die neu in der Klinik sind, wollen oft die krankenhauseigenen Telefonkarten aufgeladen haben." Nicht selten werde von Patienten an sie auch die Bitte herangetragen, doch ein paar Karten zum Schreiben mitzubringen. Oder es braucht jemand etwas zum Trinken aus dem Klinik-Kiosk. "Ich habe auch schon für jemanden einen Koffer gepackt", sagt Frau Reich. Überhaupt nicht zuständig seien sie als Besuchsdienst jedoch für pflegerische Belange, so die Frauen

"Ein tiefgreifendes religiöses Gespräch habe ich seit Bestehen des Dienstes 1995 bisher nur einmal geführt", sagt Frau Tschauder, obgleich manches natürlich anklinge, wenn die Patienten von ihren Ängsten und Sorgen sprächen. Dem einen oder anderen Patienten, der aus dem Bett aufstehen kann, hat sie auch schon den Tip gegeben, sich auf der Suche nach ein bißchen Stille doch mal in die moderne Kapelle zu setzen." Und gelegentlich gebe sie auch den Seelsorgern mal einen Hinweis, einen Patienten zu besuchen

Als Frau Tschauder vor vier Jahren pensioniert wurde, suchte die frühere Mathematik- und Chemie-Lehrerin nach einer neuen Aufgabe. Sie übernahm in der Meininger St.-Marien-Gemeinde einen Kreis von Vorruheständlern und Frührentnern. Als dann im März 1996 der Besuchsdienst ins Leben gerufen wurde, waren aus diesem Kreis einige Frauen zum Mittun bereit. Frau Reich hingegen wurde durch das Engagement ihrer Schwiegermutter in Sondershausen zum Mittun angeregt

Augenblicklich betreut der ökumenische Besuchsdienst Meiningen nur vier der zahlreichen Stationen des großen Klinikums mit seinen insgesamt 16 Fachbereichen und 532 Betten. Einige Frauen des Besuchsdienstes - Männer konnten bisher nicht gewonnen werden - haben sich von der übernommenen Aufgabe leider wieder zurückgezogen. So waren zum Beispiel zwei Frauen auf der Kindersta-tion der Klinik tätig, haben mit den Kindern gespielt, damit diese nicht so viel vor dem Fernseher saßen, oder die Kleinen herumgetragen, wenn sie nicht einschlafen konnten

Mit einem gemeinsamen Informationsblatt weisen die Klinikseelsorger auf den Besuchsdienst hin. Das Faltblatt liegt an der Anmeldung im Krankenhaus aus. Besser allerdings wäre, die Information den Patienten richtig in die Hand zu geben, meinen die Frauen. "Der Besuchsdienst wird nicht zuletzt auch von den Ärzten und der Krankenhausleitung begrüßt", sagt Pfarrer Hans-Georg Fromm, der gemeinsam mit der evangelischen Pastorin Hermine Fuchs als Krankenhausseelsorger im Klinikum tätig ist. "Auch von daher könnten wir auf viel mehr Stationen tätig sein." Doch trotz verschiedenster Bemühungen konnten bisher noch nicht genügend Mitstreiterinnen gewonnen werden. An der personellen Frage scheitert etwa auch die Einrichtung eines Bücherdienstes, sagt Frau Tschauder. Das Angebot von Büchern könnte ein gutes Medium für den Kontakt zu den Patienten sein. Ebenfalls wünschenswert wäre die Begleitung mancher Patienten über den Krankenhausaufenthalt hinaus. Frau Reich hofft darauf, daß sich aus einem neu gegründeten Kreis von jüngeren Senioren Frauen dafür bereit finden. Wichtig sei, Leute gezielt anzusprechen, sagt sie

Während ihres Dienstes sind die Frauen von der Klinik aus versichert. Deshalb tragen sie sich jedesmal in ein Buch ein, das zugleich einen Überblick über die geleisteten Einsätze gibt. Und da kommt manche Stunde zusammen! Ursula Tschauder und Ingrid Reich verschweigen nicht, daß ihr Dienst manchmal recht anstrengend ist. Besonders das viele Stehen an den Patientenbetten mache ihr zu schaffen, sagt Frau Tschauder. "Oft gehe ich körperlich richtig geschafft aus dem Krankenhaus. Aber", so fügt sie hinzu, "meistens bin ich auch innerlich beschenkt." Ingrid Reich stimmt ihr zu.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 35 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.08.1997

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