"Dritter Frühling" in Grüssau
Görlitzer bei Inthronisation des schlesischen Wallfahrtsbildes
Der Görlitzer Prälat Bernd Richter nahm als Ehrengast an den Feiern zur Inthronisation des Grüssauer Gnadenbildes teil und schildert den Tag-des-Herrn-Lesern seine Eindrücke
Das aus dem Mittelalter stammende Gnadenbild der Muttergottes von Grüssau, jetzt Krzesz-ów in Polen, ist erneut zum Anziehungspunkt vieler Tausender von Menschen geworden. Papst Johannes Paul II. hatte das Bild auf Bitten des polnischen Diözesanbischofs Tadeusz Rybak bei seinem Pastoralbesuch in Legnica/Liegnitz gekrönt
Nun wurde es während eines feierlichen Gottesdienstes den Kardinal Henryk Gulbinowicz, Wroclaw/Breslau, feierte, in der gotischen Basilika von Grüssau inthronisiert. Generalvikar Hubertus Zomack in Vertretung von Bischof Müller und die Domkapitulare Prälat Heinz Morawietz und Prälat Bernd Richter wurden als Ehrengäste aus dem Bistum Görlitz besonders begrüßt
Bischof Rybak deutet dieses Ereignis in seinem Grußwort so: "Das Grüssauer Sanctuarium soll zu einer Stätte erhoben werden, wo die Bewohner Schlesiens und des sich einigenden Europas der Kultur dieser Region begegnen und vor dem berühmten Gnadenbild beten können, auf daß Europa seinen christlichen Wurzeln treu bleibt." "Mit Maria ins dritte Jahrtausend" - dieses Wort rief Papst Johannes Paul II. der Menge der Gläubigen bei dem großen Gottesdienst auf dem Flugplatzgelände von Legnica zu, als er die Krönung des Gnadenbildes vornahm. Damit hat er für diese Ortskirche und ihre weite Nachbarschaft (für Deutsche und Tschechen) einen Wegweiser zu einem Orientierungspunkt des Glaubens über alle Grenzen hinweg eingerammt
Der Erhebung zum offiziellen Marienheiligtum der jungen Diözese Legnica war eine Wanderung des Grüssauer Gnadenbildes durch alle Gemeinden des Bistums vorausgegangen und hatte die Gemeinden dadurch seelsorglich vorbereitet. Mit Freude hatten auch die Görlitzer das altvertraute Bild der Muttergottes von Grüssau für einige Stunden in der Pfarrkirche Hl. Kreuz begrüßen und verehren dürfen
Der Görlitzer Bischof Rudolf Müller schreibt in seinem Grußwort, das durch Generalvikar Hubertus Zomack am Ende des vierstündigen Gottesdienstes verlesen wurde: "Was mit der Inthronisation abgeschlossen wird, soll ja erst ein neuer Anfang sein"; das ist sicher ein anspruchsvolles Werk. Die kulturellen und geistlichen Bemühungen sind hierzu hoch anzuerkennen. Beruhen sie doch auf der Hoffnung, daß es Grüssau so ähnlich ergehen kann wie der Wurzel Jesse. Gegründet im benediktinischen Geist zur Zeit der Heiligen Hedwig (1292), mächtig gewachsen zur hohen Zeit des Barock, dann durch die Säkularisation des preußischen Staates scheinbar vernichtet, ergab sich am Ende des Ersten Weltkrieges ein wundersames, erneutes Erblühen durch die Benediktiner, die aus Emaus bei Prag kamen. Sie entwickelten alte Marienfrömmigkeit und verbanden sie mit neuen liturgischen Formen, die vom späteren Konzil in der liturgischen Reform aufgenommen wurden. (Hier in Grüssau und in Maria Laach finden sich die Wurzeln der liturgischen erneuerung, entstanden Schott und deutsche liturgische Handbücher für die lebendige Mitfeier der heiligen Messe.
Diesen Benediktinern ist es zu verdanken, daß das Wort "Grüssau" im weiten schlesischen Lande einen guten Klang als vielbesuchter Wallfahrtsort erhielt. Doch auch diese frühlingshafte Periode schien durch die furchtbaren Wirren des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsjahre dem Untergang preisgegeben
Und nun steht eine neue Hoffnung an: der dritte Frühling in Grüssau. "Worauf sollen wir diese Hoffnung setzen", fragt Bischof Müller in seinem Grußwort, und gibt gleich zur Antwort: "auf Maria, die Mutter aller Gnaden, die wir wie unsere Vorfahren im Gnadenbild zu Grüssau verehren. Es sollte unsere gemeinsame Verehrung und Liebe zur Gottesmutter dazu führen, daß sich über die Brücke des Glaubens das Volk Gottes einig weiß, gleich welcher Herkunft und Sprache."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.08.1997