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Bistum Magdeburg

Sterben als Teil des Lebens sehen

Erster Hospiztag Sachsen-Anhalts in Magdeburg

Magdeburg (cm) - Vor der Tendenz, große stationäre Hospize zu errichten, hat die Sozialministerin Sachsen-Anhalts, Gerlinde Kuppe (SPD), gewarnt. "Ambulant geht immer vor stationär", sagte Frau Kuppe am 30. August auf dem ersten Hospiztag Sachsen-Anhalts im Magdeburger Rathaus

Daß heute mehr die Hospizidee und nicht die Institution Hospiz im Vordergrund stehen sollte, wurde während der Tagung immer wieder betont. So warnte auch der Hallenser Klinikseelsorger und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, Pfarrer Heinrich Pera, vor der Gefahr einer "Ghettoisierung der Patienten und einer Kommerzialisierung" der Hospize. Grundlage für diese Befürchtungen bildet das zweite Neuordnungsgesetz zur gesetzlichen Krankenversicherung, daß erstmals eine Regelung zur Finanzierung der Hospize enthält. Damit haben Versicherte seit 1. Juli "Anspruch auf einen Zuschuß zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt und in der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann.

In Deutschland gibt es derzeit rund 300 ambulante Hospizdienste und 34 Hospizstationen. In Halle existiert seit Anfang 1993 auch ein erstes Tageshopiz. Die Hospizarbeit verlangt die intensive Zusammenarbeit von ambulanten und stationären Diensten, von Ärzten, Pflegepersonal, Seelsorgern und Hospizhelfern

Als wichtiges Fundament der Hospizarbeit wurde die Mitarbeit der bundesweit über 11 000 ehrenamtlichen Helfer betont. So würdigte Ministerin Kuppe die Arbeit der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer in Sachsen-Anhalt. Die Helfer seien bereit, ihre Unterstützung dort anzubieten, wo professionelle Kräfte ebenso wie Angehörige überlastet seien. Pfarrer Pera wies darauf hin, daß der größte Anteil der Arbeit von Frauen geleistet wird. Pera: "Das Hospiz ist ein Verdienst von Frauen.

Zugleich wurde auch betont, daß Hospizmitarbeiter einer kompetenten Ausbildung und Betreuung bedürfen. Dazu gehörten neben der persönlichen Auseinandersetzung mit Sterben und Tod sowie dem Erwerb von Kenntnissen über Hospizführung und Kommunikation auch die Supervisionen und die Integration in ein Team

Da sich vor allem schwerstkranke Tumorpatienten an Hospize wenden, ist eine enge Zusammenarbeit der Hospizmitarbeiter mit der Palliativmedizin erforderlich. Aufgabe dieser medizinischen Fachrichtung ist es, Patienten mit weit fortgeschrittener Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu begleiten. Ziel der Behandlung ist es, die Schmerzen der Patienten zu lindern und ihnen eine maximale Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bis zuletzt zu erhalten, betonte der Bonner Anästhesist Oberarzt Dr. Friedemann Nauck in einem Vortrag. Ebenso wichtig wie die Schmerzlinderung durch Medikamente ist die Integration von psychischen und spirituellen Bedürfnissen in die Behandlung, erklärte Nauck

In Deutschland sterben jährlich rund 900 000 Menschen. Nur jeder zehnte von ihnen verbringt seine letzten Stunden in der häuslichen Umgebung, obwohl 90 Prozent gern zu Hause sterben würden. Die Hospizbewegung richtet sich gegen ein Abschieben Sterbender in die Krankenhäuser und die Tabuisierung von Krankheit und Tod in der Öffentlichkeit

Die Hospizbewegung in Deutschland entwickelte sich Anfang der 90er Jahre aus der Hospizidee, die Sterben wieder als einen Teil des Lebens sieht. Damit leistet die Hospizbewegung einen wichtigen Beitrag in der Sterbebegleitung. Doch die Idee an sich ist nicht neu. Bereits im Mittelalter konnten Menschen Hospize in Anspruch nehmen. Sie wurden als Herberge oder Raststätte für den letzten Lebensabschnitt angesehen. Hintergrund für die Hospizidee ist das christliche Menschenbild

Die Tagung wurde vorrangig von Ärzten, Krankenschwestern und ehrenamtlichen Mitarbeitern besucht. Um deutlicher auf die Möglichkeiten der Hospizbewegung für die Gesellschaft aufmerksam zu machen, wäre es bei einem künftigen Hospiztag wünschenswert, das Anliegen durch entsprechende Aktionen einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.09.1997

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