Einmal im Monat kam der Pfarrer
100 Jahre Kirchweihe in Vetschau
Vetschau (ks) - Die Gemeinde "Heilige Familie" in Vetschau am Rande des Spreewaldes feiert am 14. September den 100. Weihetag ihres Gotteshauses. Schon vor der Reformation gab es katholisches Leben in Vetschau. Zu Weihnachten 1889 feierte der Lübbener Pfarrer Olowinsky den ersten nachreformatorischen katholischen Gottesdienst in Vetschau in den Gaststuben des Hotels Matschens. Lübben war 1862 gegründet worden
Von 1891 bis 97 besaßen die Vetschauer Katholiken eine eigene "Betstube", einen Raum in der Villa des protestantischen Fabrikbesitzers Blütchen. Von ihm erwarb die Gemeinde später das Stück Land, auf dem heute die Pfarrkirche steht. Der Vetschauer Landwirt Alexander von Rabenau, ein Konvertit, mühte sich zusammen mit dem zuständigen Cottbuser Pfarrer Josef Arlt um einen Kirchbau in Vetschau
Im Frühjahr 1897 war Baubeginn, am 24. Oktober des gleichen Jahres weihte Erzpriester Frenzel die Kirche. Etwa 300 Katholiken lebten damals in und um Vetschau. Die meisten waren zugezogene Fabrikarbeiter im Landmaschinenbau und in Webereien, Beamte und Landarbeiter
Die Cottbuser Pfarrer bereisten und betreuten eine riesige Pfarrei, zu der auch Vetschau gehörte. Die Gemeinden Calau, Vetschau und Drebkau waren immer auf das engste miteinander verbunden. Anfangs konnten die Orte monatlich nur einmal besucht werden, ab 1911 zweimal. Calau bekam 1933 einen eigenen Pfarrer, der auch für Vetschau und Drebkau zuständig war. Calau wurde 1935 Kuratie, Vetschau Filialgemeinde, Drebkau wurde 1940 selbständig
Pfarrer Paul Dubianski wurde in der NS-Zeit wegen seiner offenen Äußerungen mehrmals zur Gestapo zitiert. Eigene Pfarrkinder hatten ihn denunziert. Auf Anraten der Bistumsleitung in Breslau wechselte er deshalb 1940 nach Landsberg an der Warthe, wurde aber trotzdem inhaftiert und ins KZ Dachau gebracht. Lebend, aber krank kam er 1945 in die Seelsorge, nach Storkow, zurück. Da es in der Region mehrere "Lager für Fremdarbeiter" gab, wurde Herbert Tietze, der seit 1940 Pfarrer in Calau war, 1944 von Pfarrer Dr. Budek abgelöst, der den Gefangenen durch seine Polnisch- und Russischkenntnisse viel helfen konnte
In den Wochen nach Kriegsende flohen täglich tausende Flüchtlinge über die Lausitzer Neiße in das große Pfarrgebiet, unter den vielen Katholiken auch Priester und Ordensleute. So kam Vetschau 1945 mit Pfarrer Knabe zum ersten eigenen Seelsorger, der allerdings im Juni 1946 Vetschau aus Gesundheitsgründen aufgeben mußte. Sein Nachfolger war Josef Beyer, der bis 1970 in Vetschau blieb. 18 Dörfer mit vier Außenstationen gehörten zur Pfarrei. Mit dem Bau des Kraftwerkes Vetschau in den 60er Jahren stieg die Zahl der Katholiken noch einmal
Klaus Trzewik, von 1970 an Pfarrer in Vetschau, faßte mit viel Elan notwendige Baumaßnahmen an. Die Umgestaltung des Altarraumes in die heutige Form, die Errichtung eines Glockenträgers, Reparaturen an Kirche und Pfarrhaus und später der Pfarrhausneubau mit Gemeinderäumen wurden auf Initiative von Pfarrer Trzewik meist in Feierabend- und Samstagsarbeit von der Gemeinde geleistet
Knapp 700 Seelen weist 1975 die Statistik aus. Aber es wurde zunehmend schwerer, den Glauben zu bewahren. Ein guter Stamm hielt die Treue, doch ein stiller, aber auch offen erklärter Weggang von der Kirche war unübersehbar
1983 kam Pfarrer Georg Jana für neun Jahre nach Vetschau. Unentwegt war er unterwegs, um die über viele Dörfer verstreute Gemeinde zu besuchen und zu sammeln. Senioren, Kinder und Gehbehinderte wurden mit dem Auto zusammengeholt, um die Gemeinschaft zu stärken. 16 000 Kilometer kamen in einem Jahr zusammen. Es war auch die Zeit, in der von staatlicher Seite das ideologische Gespräch mit den Kirchen gesucht wurde. Doch Pfarrer Jana blockte ab
Seit der politischen Wende beteiligen sich auch Vetschauer Katholiken an neuen kommunalpolitischen Aktivitäten. Mit der Pfarrei St. Stephanus in Aalen-Wasseralfingen wurde eine Partnerschaft aufgenommen. Die 1992 beschaffte Computerorgel von Ahlborn, zu einem beträchtlichen Teil von der Partnergemeinde mitfinanziert, ist sichtbarer Ausdruck. Nach dem Weggang Pfarrer Janas nach Storkow blieb Vetschau unbesetzt. Für die Gemeinde war das ein Schock. Wieder folgt die Bindung an Calau. Pfarrer Peter Müller, dem neben seiner Pfarrei Calau schon die Gehörlosen des Bistums anvertraut sind, hat nun ein Pfarrgebiet von 45 Kilometern Länge. Der Nachbarpfarrer in Lübbenau hilft ganz selbstverständlich bei Vertretungen
In das Vetschauer Pfarrhaus zog 1993 Diakonatshelfer Heinz Liebig mit seiner Frau Regina ein. Das Haus hat wieder offene Türen. Um die vielen kleinen Dinge, die Gemeinde erst ermöglichen, kümmern sich Vetschauer Christen ehrenamtlich: Dazu gehört die Caritasfreundschaft, die auf Pfarrer Beyer zurückgeht, der Unterricht, die Betreuung eines Aussiedlerheimes in Burg, die Religiösen Kinderwochen, für beide Gemeinden gemeinsam in Calau, der Fahrdienst, ökumenische Kontakte, der ökumenische Singekreis, die Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.09.1997