Neue kirchliche Sprachkompetenz notwendig
Buch zur Zukunft der Kirche vorgestellt
Leipzig - Der Erfurter Bischof Joachim Wanke hat die Kirche zu bewußter Einfachheit ermutigt. "Wir brauchen für unsere Ortskirchen Voraussetzungen für die Verkündigung, im diakonischen Bereich, für die Ausbildung. Aber wir brauchen nicht eine große Organisation", sagte der Bischof bei der Vorstellung des im Leipziger St. Benno-Verlag erschienenen Buches "Quo vadis Kirche? Die Zukunft der Kirche im Osten Deutschlands an der Schwelle zum dritten Jahrtausend". Die Buchpräsentation fand im Rahmen der Einweihung eines Neubaus für den katholischen Leipziger St. Benno-Verlag statt
Das Stichwort "Kirche der Einfachheit" müsse aber auch in manch anderer Hinsicht bedacht werden, so Bischof Wanke weiter: "Unser Glaube muß so ausgesprochen werden, daß einfache Menschen ihn verstehen. Wir brauchen - besonders beim Erstkontakt mit Nicht-Glaubenden - eine neue kirchliche Sprachkompetenz, die sich nicht nur auf das Wort bezieht, sondern auch auf Zeichen, auf die Kunst, auf sakramentales und außersakramentales Handeln, auf öffentliches Agieren in den Medien.
Angesichts der versammelten Vertreter aus allen Diözesen der neuen Bundesländer regte Wanke an, wieder einmal eine gemeinsame Veranstaltung aller katholischen Christen der Re-gion wie zum Beispiel eine große Wallfahrt durchzuführen
Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt warnte an gleicher Stelle vor "Verzerrungen", die es nicht nur im kollektivistischen System der DDR, sondern auch im heutigen Individualismus gebe. Früher habe der einzelne Christ in der Kirche kaum etwas zu sagen gehabt. Dies sei nicht gut gewesen. Heute sei es zunehmend umgekehrt: "Der einzelne bestimmt den Weg aller Dinge. Die Kirche hat nichts mehr zu sagen." Auch da stimme etwas nicht, so der Bischof. Nach Auffassung des Pädagogischen Leiters des Bischof-Benno-Bildungshauses der Diözese Dresden-Meißen in Schmochtitz, Dr. Peter-Paul Straube, haben die Menschen heute vielfach das Bedürfnis, "sich zu entlasten". "Sie möchten sich aussprechen können." Wenn ihnen dies gewährt werde - und hier seien kirchlicherseits niederschwellige offene Angebote für jeden Interessierten gefordert - sei es auch möglich, mit ihnen über gemeinsame Werte und Ziele nachzudenken. Dr. Straube regte in diesem Zusammenhang beispielsweise Jugendgruppen an, Tage der offenen Tür für junge Leute in ihrem Dorf oder ihrer Stadt anzubieten. Hinsichtlich einer solchen Offenheit und Gesprächsbereitschaft sei dringend ein "innerkirchlicher Bewußtseinswandel nötig"
Einen anderen Anknüpfungspunkt, mit Nichtchristen wenigstens zu einem minimalen Wertekonsens zu gelangen, sieht der Erfurter emeritierte Philosoph, Professor Dr. Konrad Feiereis, in der im Grunde bis heute christlich geprägten Kultur Europas. Sie könne eine Brücke bieten, mit Menschen unterschiedlichster weltanschaulicher Orientierung über dringend notwendige gemeinsame Werte ins Gespräch zu kommen. Der Magdeburger Ordinariatsrat und bisherige Seelsorgeamtsleiter, Dr. Gerhard Nachtwei, betonte, die Menschen würden der Kirche nicht entgegenlaufen, "wenn wir auf Mitgliederwerbung sind". Stattdessen gelte es, allen Mitmenschen in bescheidener, aber klarer Weise nahe zu bringen: "Bei der Botschaft des Evangeliums geht es um Dein Leben, unser Leben, unser aller Heil.
Das gerade erschienene Buch "Quo vadis Kirche?" enthält Beiträge von 23 Autoren zur "Zukunft der Kirche im Osten Deutschlands an der Schwelle zum dritten Jahrtausend". Zu Wort kommen alle katholischen Bischöfe im Bereich der neuen Bundesländer sowie Priester und Laien in unterschiedlichsten kirchlichen Funktionen
Zu der Einweihung des neuen Verlagsgebäudes waren am 19. September mehr als 100 prominente Gäste aus Kirche, Medien und Gesellschaft gekommen. Das Medienunternehmen, das seit 1951 besteht, ist der einzige katholische Verlag im Bereich der neuen Bundesländer. E. Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.09.1997