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Bistum Dresden-Meißen

Neues Leitbild und Erfahrungen in 40 Jahren DDR

Aus der Geschichte der Caritas Dresden-Meißen (2)

Der Diözesancaritasverband des Bistums Dresden-Meißen feierte kürzlich sein 75jähriges Bestehen. Teil zwei unseres geschichtlichen Abrisses führt von 1961 bis in die Gegenwart

In der Abgeschlossenheit der Grenzen nach dem Mauerbau 1961 war die Schaffung eigener kirchlicher Ausbildungsrnöglichkeiten für Erzieherinnen, Krankenschwestern und -pfleger sowie Fürsorgern ein bedeutsamer Schritt. Die Ausbildungsstätten fanden großes Echo bei sehr vielen jungen Christen, obwohl die Berufe der kirchlichen Erzieherin und des Fürsorgers vom Staat nicht anerkannt wurden. An dieser Stelle sei der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedacht, die sich nicht entmutigen ließen, viele Jahre hindurch mit großem Einsatz für sehr geringen Lohn - mit entsprechender Wirkung auf die heutige Rente - Dienst zu tun. In der Folgezeit wurde das Bemühen deutlich, Caritas als Grundfunktion christlichen Lebens zu sehen und ihre Einordnung in den Gesamtauftrag von Kirche bewußt zu machen. Dies war ein besonderes Anliegen Direktor Weisbenders, der den Verband von 1964 bis 1972 leitete

In den folgenden Jahren versuchte die Diözesancaritas, dem wachsenden Bedarf an Heimplätzen gerecht zu werden. In der Amtszeit von Direktor Puschmann (1973 bis 1982) entstanden in kurzer Bauzeit neue Alterspflegeheime, beispielsweise in Schweinerden und Schirgiswalde

Ein zweites Heim für geistig behinderte Mädchen im Kloster Marienstern hatte 1972 bereits 80 Mädchen aufnehmen können, sechs Jahre später entstand eine Einrichtung für geistig behinderte junge Männer in Schlegel

Caritasdirektor Puschmann wurde 1982 zum Leiter der Zentralstelle des Deutschen Caritasverbandes in Berlin berufen, ihm folgte Caritasdirektor Grande. Seine Bemühungen galten der Erarbeitung eines neuen Statuts für den Diözesancaritasverband, das in der Nachfolge Jesu Christi den Einsatz für den Nächsten an die erste Stelle setzte (diakonischer Auftrag) und die Gemeinde als den Ort bezeichnete, an dem die Menschen Hilfe erfahren

Diakonische Gesinnung in den Gemeinden zu fördern war zur Zeit der DDR das Anliegen der sogenannten "Helferarbeit", die ehrenamtlich mit Kompetenz und großem Engagement geleistet wurde

Die Mitarbeiterfrage war in all den Jahren eine beständige Sorge der Caritas. Mit dem schrittweisen Abzug der Ordensschwestern aus den Einrichtungen mußten Mitarbeiter gefunden werden, die neben guter fachlicher Qualifikation die Bereitschaft und Fähigkeit mitbrachten, sich um einen "guten Geist", eine gute Atmosphäre in den Einrichtungen zu bemühen

Die in den achtziger Jahren anwachsende Ausreisewelle belastete die bleibenden Mitarbeiter in hohem Maße. Hinzu kam der politische Druck, der würdelose Umgang des Regimes mit mißliebigen Personen. Die desolate wirtschaftliche Situation verlangte den Mitarbeitern in den Einrichtungen Durchsetzungsvermögen, Findigkeit und Organisationstalent ab. Beispielsweise sei erinnert an die katastrophale Brennstoffsituation in so manchem Winter, wenn jede Kohlelieferung für die Einrichtungen förmlich "erkämpft" werden mußte. Der Nachfolger von Prälat Grande, Caritasdirektor Reinelt, war nur kurze Zeit im Amt, weil er zum Bischof ernannt wurde. Im Jahr 1988 wurde mit Josef Grohs ein Laie Caritasdirektor. Ihm oblag die schwere Aufgabe, den Verband durch die Zeit der Wende zu führen. Am 16. Juli 1990 wurde der Caritasverband erneut in das Vereinsregister eingetragen. Seitdem kann er als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege öffentliches Sozialwesen mitgestalten

Durch die Vereinigung Deutschlands ergaben sich neue Herausforderungen. Infolge der gesellschaftlichen Veränderungen ist der Diözesancaritasverband mit Formen neuer Armut konfrontiert, die besonders Arbeitslose, alleinerziehende Frauen, Familien mit mehreren Kindern, Ausländer, Suchtgefährdete, Überschuldete und Obdachlose betreffen

Beratungsdienste wurden dem neuen Bedarf entsprechend auf- und ausgebaut, ein ganzes Netz von Sozialstationen entstand, die offene Kinder- und Jugendhilfe wird immer vielgestaltiger in ihren Formen und Angeboten. In der Verbandsstruktur sind seit der Wende acht der neun Caritassekretariate in eigenständige Ortsverbände umgewandelt worden. Altenpflegeheime wurden gebaut, da die bisherigen Bauten nicht mehr der Mindestbauverordnung entsprachen. Es gibt eine Vielzahl von Trägerschaften. So übernahm beispielsweise das 1992 gegründete Caritas Sozial-Werk die Einrichtungen für geistig Behinderte in seine Trägerschaft

Die Lebenslagenuntersuchung 0st, die im Juni unter dem Titel "Menschen im Schatten" der Öffentlichkeit übergeben wurde, hat das Ausmaß der Nöte wie der Aufgaben im Bereich unseres Diözesan-Caritasverbandes in der Gegenwart deutlich gemacht. "Not sehen und handeln. Caritas" gewinnt vor diesem Hintergrund an eindringlicher Aktualität - auch als Anforderung für die Zukunft

Im Mai 1997 wurde das Leitbild des Deutschen Caritasverbandes beschlossen, an dessen Erarbeitung viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt waren. Es läßt sich vom Anspruch des Evangeliums leiten und vom Bild einer solidarischen und gerechten Gesellschaft, in der auch Arme und Schwache einen Platz mit Lebensperspektiven finden können

Das Leitbild soll für das Bistum Dresden-Meißen durch einige Aussagen ergänzt werden, die die besondere Diasporasituation und die Erfahrungen mit Caritas in 40 Jahren DDR berücksichtigen

Monika Peikert

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 41 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.10.1997

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