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Bistum Görlitz

Tradition der Stiftungen lebendig

Unterstützung für das St. Florian-Stift

Neuzelle - In früheren Jahrhunderten war es üblich, daß fromme und wohlhabende Menschen einen Teil ihres Vermögens in eine Stiftung einbrachten. Oft zeugt der Namensanhang "-stift" davon, daß eine alte Kirche, ein Kranken- oder Waisenhaus die Existenz einem Stifter verdankt. In den letzten Monaten haben verschiedene Vereine, Parteien und Institutionen in Deutschland dazu aufgerufen, die alte Tradition der Stiftung wieder stärker aufleben zu lassen

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen zum Beispiel appellierte Anfang Oktober an potentielle Stifter, "wenigstens einen Teil der in ihrer Hand befindlichen privaten Geldvermögen zu investieren für ein kulturell lebendiges und sozial waches Gemeinwesen"

Die langjährige West-Berliner Caritas-Mitarbeiterin Notburga Frost wurde im vergangenen Mai zur Stifterin. Sie hat eine große Geldsumme für die behinderten Bewohner und Schüler des Neuzeller St. Florian-Stiftes gestiftet. Ursprünglich hatte sie mit ihrem Geld das Stift Neuzelle unterstützen wollen, von dem sie in der Zeitung gelesen hatte

Als die engagierte Katholikin jedoch hörte, daß die "Stiftung Stift Neuzelle" keine kirchliche Stiftung ist, sondern vornehmlich kulturelle Ziele verfolgt, entschloß sie sich, stattdessen das St. Florian-Stift in Neuzelle zu unterstützen

Die Förderschule für geistig Behinderte ist im alten Stiftsgebäude untergebracht. Seit Anfang September wird ein Anbau mit Treppenhaus und Fahrstuhl errichtet, damit auch mehrfach behinderte Schüler aufgenommen werden können

Fördermittel bekommt das St. Florian-Stift für diese Baumaßnahme nicht und mußte deshalb einen Kredit aufnehmen. Zinsen und Tilgung kann das Stift aus dem Stiftungskapital der neugegründeten Frost-Stiftung bezahlen

Der Stiftungsvorstand, dem neben der Stifterin der Neuzeller Pfarrer Johannes Magiera und Prälat Hans Joachim Wagner angehören, ist dafür zuständig, das Stiftungsvermögen zu erhalten. Kontrolliert wird er dabei vom Finanzamt der Stadt Berlin, wo die Froststiftung im Stiftungsverzeichnis geführt wird. Das Kapital der Stiftung darf nur im Sinne des Stiftungszwecks Verwendung finden, der in der Stiftungsurkunde festgeschrieben ist: "durch Förderung und Betreuung gute Lebensbedingungen für geistig behinderte Menschen zu schaffen ... durch finanzielle Zuwendungen an das St. Florian-Stift Neuzelle, Förderschule und Heim für geistig Behinderte"

Die Rechtsform der Stiftung ist nach Auskunft von Prälat Wagner mit erheblich mehr Arbeitsaufwand verbunden als andere mögliche Wege, auf denen Notburga Frost dem St. Florian-Stift ihr Geld hätte zukommen lassen können. Denkbar wäre zum Beispiel die Gründung einer GmbH gewesen. Den Vorteil der Stiftungsgründung sieht Hans Joachim Wagner in der streng kontrollierten Sicherung des Stiftungszweckes

Notburga Frost will es bei dem einmaligen Stiftungsakt keineswegs bewenden lassen. Für November hat die aktive Ruheständlerin eine Spendensammlung zugunsten des St. Florian-Stiftes angemeldet. Dies darf sie tun, weil die Frost-Stiftung in ihrer Satzung als "mildtätig" beschrieben wird. In der Geschichte Neuzelles ist die Frost-Stiftung die dritte Stiftung. Das Kloster Neuzelle selbst wurde im Jahr 1268 durch Markgraf Heinrich von Meißen und der Ostmark gestiftet. Im vorigen Jahrhundert gründete der Erzpriester Florian Birnbach "unter Benutzung von dortigen Pfarrei- und Stiftsräumlichkeiten" in Neuzelle eine Waisen- und Kommunikantenanstalt. Die sehr verstreut lebenden Kinder der katholischen Gemeinde wurden hier im Alter zwischen 12 und 14 Jahren auf Beichte und Erstkommunion vorbereitet. Im Jahr 1872 tätigte der Priester die sogenannte St. Florian-Stiftung, um diese Anstalt zu unterstützen

Daß die Anstalt aufgrund ihrer Lage in der Diaspora im Laufe ihrer Geschichte immer wieder in existenzbedrohende finanzielle Schwierigkeiten geriet, bezeugen alte Briefwechsel, die erhalten geblieben sind

1928 zum Beispiel war der Fortbestand des St. Florian-Stiftes nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflation nur dem persönlichen Eingreifen des Breslauer Kardinals Adolph Bertram zu verdanken. Jahrelang hoffte die Oberin des Stiftes, eine Arme Schulschwester, vergeblich auf eine gute Obsternte, um offenstehende Rechnungen aus eigenen Mitteln begleichen zu können. Besonders schwer war es für das Kinderheim auch in den Jahren 1945 bis 55, als die Einrichtung durch Flüchtlingskinder überbelegt war

In den Jahren seit der Wende hat das St. Florian-Stift zunehmend an Bedeutung gewonnen: Ein Wohnheim für 32 behinderte Erwachsene ist in unter dem Dach des Stiftes in Eisenhüttenstadt-Schönfließ entstanden. In Neuzelle wird mit Fördermitteln des Landes nächstes Jahr ein Wohnheim für zwölf geistig behinderte Kinder und Jugendliche gebaut - Ersatz für das sogenannte "Hedwigshaus", eine Baracke, die 1956 für Müttererholung und hauswirtschaftliche Ausbildung für Mädchen gebaut worden war. Geplant sind zudem Häuser für psychisch Behinderte in Guben und in Forst. Dazu sollen dort bestehende kirchliche Immobilien in das St. Florian-Stift "eingestiftet" werden. Nach und nach werden kirchlich-karitative Einrichtungen im brandenburgischen Teil des Bistums Görlitz im Florian-Stift zusammengefaßt, sofern sie nicht in Trägerschaft einer Ordensgemeinschaft oder einer anderen Institution stehen. Auf diese Weise soll vermieden werden, daß der Caritasverband des Bistums Görlitz als Spitzenverband gleichzeitig Trägerverband für die betreffenden Einrichtungen ist. Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.10.1997

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