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Bistum Dresden-Meißen

Christ im totalitären Staat

Jugend und DDR-Geschichte

Schmiedeberg / Reichenbach (tp) - In das Osterzgebirge machten sich 42 Jugendliche des Vogtlandes vom 2. bis 5. Oktober auf, um dort gemeinsam über die nahe Vergangenheit Deutschlands zu sprechen. Einige der 14jährige horchten auf bei Begriffen wie VPKA, LPG oder POS und waren überrascht, daß es in der DDR so viele Abkürzungen gab

Gemeinsam schauten sie Videos über die Geschichte der DDR und versuchten in kleinen Gesprächsgruppen, Unklarheiten zu beseitigen. Freitag nachmittag konnten sie den Dresdner Bischof Joachim Reinelt zur Arbeitsweise der Kirchen in der DDR und zu seinen Erlebnissen in der Wendezeit befragen. Reinelt sagte, die katholische Kirche habe "nicht mit der Partei, sondern mit der Regierung" gesprochen

Mit der Stasi habe er nicht geredet, erzählte der Bischof. Beim Lesen seiner Stasi-Akte habe er aber festgestellt, daß er selbst von Jugendlichen in Freiberg bespitzelt worden sei

Als Schüler der 11. Klasse habe er kurz vor dem Rauswurf gestanden. Man warf ihm vor, den Westberliner Radiosender Rias gehört zu haben. Dies sei einem seiner Aufsätze zu entnehmen. Tatsächlich besaß Reinelts Familie damals aber noch gar kein Radio. Er las seinen Aufsatz vor allen Schülern der Schule vor und konnte so beweisen, daß der Vorwurf nicht zutraf

Zu seinen Erinnerungen an den Oktober 1989 befragt, erzählte der Bischof, er sei damals ständig zwischen Bahnhof, seiner Wohnung und Berlin, dem Ort der Bischofskonferenz, gependelt. In Berlin hätten sich die Bischöfe getroffen, um ihr weiteres Vorgehen zu koordinieren

Am 9. Oktober seien zweimal 8000 bis 12 000 Menschen zum Friedensgebet in die Dresdner Hofkirche gekommen. Vorher hatte sich Reinelt mit seinem evangelischen Amtskollegen abgesprochen. Er bezeichnete den friedlichen Umbruch als "Wunder". Den Samstag nutzten die Jugendlichen, um sich in Arbeitsgruppen über das Thema "Autoritäre und totalitäre Systeme" zu unterhalten, sich eine neue Verfassung auszudenken oder Bewohner der Region Dippoldiswalde und Altenberg zu befragen. Hierbei stellten sie fest, daß die meisten Menschen weitaus weniger unzufrieden waren, als die Jugendlichen aufgrund von Medienberichten vermutet hätten

Am Sonntag stellten sie sich gegenseitig die Ergebnisse ihrer Arbeit vor und fuhren dann mit neuen Erfahrungen wieder ins Vogtland

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 43 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.10.1997

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